Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht. Die längere Glosse, hg. v. Kaufmann, Frank-Michael, in drei Teilen (= Fontes iuris Germanici antiqui. Nova series Band 9). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2013. CVI, VI, VI, 1266 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Sachsenspiegel gehört zu den bekanntesten und wichtigsten älteren Quellen der deutschen Rechtsgeschichte, auch wenn das Landrecht den Vorrang vor dem Lehnrecht hat und die Glosse zwar die Verbindung zur spätmittelalterlichen Wissenschaft andeutet, sich aber dadurch bereits von der anfänglichen Wirklichkeit unterscheidet. Entsprechend dieser Abstufung ist der Text des Sachsenpiegels erheblich früher ediert worden als der Text der Glosse. Inzwischen sind aber auch hier wichtige erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen.
Nach dem Vorwort des Herausgebers sind die Sachsenspiegel-Lehnrechtsglossen in insgesamt vier Textklassen überliefert, von denen die kürzere Glosse, die längere Glossen und die Wurm’sche Glosse in einem engen Entwicklungszusammenhang stehen, während die Stendaler Glosse eigenständig ist. Die vorliegende Edition, „Rolf Lieberwirth zum 92. Geburtstag - 1. Dezember 1920 - zugeeignet“, bietet auf der Grundlage sämtlicher noch vorhandener 18 Handschriften den Text der Textklasse II. Sie will dabei zeigen, dass im Gegensatz zu Gustav Homeyers Annahme die längere Glosse die ältere und ursprüngliche Textklasse gewesen ist, die später verschiedene Textkürzungen erfuhr, deren Ergebnis die Textklasse der kürzeren Lehnrechtsglosse mit drei Ordnungen war.
Der verdienstvolle Editor selbst hat allerdings mit einer historisch-kritischen Ausgabe der kürzeren Lehnrechtsglosse im Jahre 2006 begonnen. Dem folgt nun nach achtjähriger Arbeit die (ältere, aber) längere Glosse als (nach der 2002 veröffentlichten Buch’schen Glosse zum Sachsenspiegel-Landrecht) dritte Edition im Rahmen des von den Monumenta Germaniae Historica angeregten und unterstützten Vorhabens an der Leipziger Akademie. Es ist sehr zu hoffen, dass innerhalb der bewilligten Projektlaufzeit bis Ende 2022 die geplanten Veröffentlichungen jüngerer Kommentare zum Sachsenspiegel-Landrecht in der Nachfolge Johann von Buchs sowie von Glossen zum Sachsenspiegel-Lehnrecht in historisch-kritischen Ausgaben in gleicher Präzision vorgelegt werden können, wie dies dem Herausgeber bisher gelungen ist, so dass am Ende die Verbindung des Spiegels der Sachsen des lateinkundigen Laien Eike von Repgow mit der Wissenschaft der Glossatoren auf neuestem wissenschaftlichem Stand jedermann zugänglich zur Verfügung steht.
Innsbruck Gerhard Köbler