Glass, Hildrun, Deutschland und die Verfolgung der Juden im rumänischen Machtbereich 1940-1944 (= Südosteuropäische Arbeiten 152). Oldenbourg, München 2014. VIII, 303 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die im 13. Jahrhundert erscheinenden Rumänen, deren Fürstentümer Moldau und Walachei den Osmanen bis in das 18. Jahrhundert tributpflichtig waren, haben seit der Vereinigung der beiden Teile zu Rumänien im Jahre 1862 durch den moldawischen Oberst Cuza, dem 1866 Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen als König folgte, zwar nur rund 150 Jahre Geschichte als einheitlicher Staat hinter sich, doch verliefen diese Jahre durchaus bewegt. Dies gilt insbesondere auch für die Zeit des zweiten Weltkriegs, mit der sich die vorliegende Arbeit befasst. Hier gelingen der Bearbeiterin auf ihrem Forschungsgebiet zahlreiche neue Einzelerkenntnisse.

 

Mit ihrem Sachgegenstand befasst sich die Autorin bereits seit ihrer Promotion, in deren Rahmen sie 1995 ihre gewichtige geschichtswissenschaftliche Dissertation im Umfang von 638 Seiten über das deutsch-jüdische Verhältnis in Rumänien zwischen 1918 und 1938 als zerbrochener Nachbarschaft erarbeitete. Dementsprechend war es nur folgerichtig, dass sie im Rahmen einer von dem damaligen Staatspräsidenten Rumäniens (Ion Iliescu) am 22. Oktober 2003 eingerichteten internationalen Kommission zur Erforschung des Holocaust in Rumänien an bedeutender Stelle mitwirkte. Zusammen mit Jean Ancel arbeitete sie an dem Kapitel über die deutsch-rumänischen Beziehungen des 2004 der Öffentlichkeit vorgelegten Berichts, dem nach Ancels Tod das vorliegende, wichtige Quellen neu auswertende Werk folgte.

 

Gegliedert ist es in insgesamt sechs Abschnitte. Sie betreffen nach einer Einführung über Forschungsstand und Fragestellung im Kontext einen Überblick über Rumäniens Stellung zur jüdischen Frage und die Wege deutscher Einflussnahme über Gesandtschaft, Wirtschaftsgesandtschaft, Militärmission, Parteifraktionen und deutsche Berater und vor allem die drei Entwicklungsstufen der Kongruenz der beiden Planungen 1940/1941, der Divergenz 1942 und des Dissenses 1943/1944, in dem den fortgesetzten deutschen Versuchen zur Einbeziehung Rumäniens in die „Endlösung der Judenfrage“ anderweitige rumänische Optionen aus dem Kriegsverlauf gegenübertraten. Am Ende gestand nach den erhellenden Ermittlungen der verwickelten Vorgänge im März 1944 die rumänische Regierung allen nach Transnistrien deportierten Juden die Rückkehr nach Rumänien zu, doch waren bis dahin im rumänischen Machtbereich Ion Antonescus (zwischen September 1940 und August 1944) bereits Hunderttausende Juden ermordet worden oder durch Kälte, Hunger, Krankheit und Entbehrungen auf elende Art um ihr Leben gekommen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler