Flechsig, Alexander Jürgen, Frühneuzeitlicher Erfindungsschutz. Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Stadt Augsburg (= Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 23). LIT, Münster 2013. 182. S. Zugleich Diss. jur. Augsburg 2013. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.

 

Der Erfindungsschutz in der frühen Neuzeit in Europa ist Gegenstand einer Arbeit, die einerseits einen nützlichen Gesamtüberblick vermittelt, andererseits neue Erkenntnisse durch eine spezielle Fallstudie für Augsburg erarbeitet hat. Nach einem Überblick über Anfänge des Schutzes geistigen Eigentums in der Antike und im Mittelalter werden die Erfindungsprivilegien in der frühen Neuzeit dargestellt. Die einschlägige Patentrechtsgeschichte ist bisher nur lückenhaft erforscht. Deswegen kann diese vor allem im dritten Teil auf städtischen Quellen basierte Studie mit neuen, wenn auch nicht unbedingt zu verallgemeinernden Ergebnissen aufwarten.

 

Die Anfänge und Ursprünge in Oberitalien und  im deutschen Bergbau sprechen dafür, dass parallele Entwicklungen, die sich wohl auch gegenseitig beeinflussten, stattgefunden haben. Seit dem 16.Jahrhundert hat sich das Erfindungsprivilegienwesen als Gewohnheitsrecht entwickelt. Der Verfasser weist mit Recht auf zahlreiche Forschungslücken hin (Übersicht S. 100ff.). Gleichwohl ist der Versuch einer Gesamtdarstellung innerhalb des europäischen Raums mit interessanten Vergleichen, insbesondere zu England und den Vereinigten Staaten von Amerika, zu begrüßen, weil er die unterschiedlichen Entwicklungszeiträume nach neuem Forschungsstand näher beleuchtet. Dass die Praxis der kaiserlichen Privilegien nach dem Dreißigjährigen Krieg nicht abbrach, sondern namentlich im 18. Jahrhundert wieder aufgenommen wurde, spricht für die vom Verfasser aufgezeigten Kontinuitäten.

 

Über Erfindungsprivilegien außerhalb Kursachsens ist bisher wenig bekannt. Im 18. Jahrhundert lassen sich anhand einiger Quellen für Kurbayern und Kurpfalz Privilegien für Heilmittel nachweisen. Mit dem Ende der kaiserlichen Privilegien entwickeln sich einzelstaatliche Patentordnungen zum Beginn des 19. Jahrhunderts (S. 74). Den Kern der Arbeit stellen jedoch die kaiserlichen Erfindungsprivilegien in Augsburg dar (S. 103ff.). Die aufgrund neuer Aktenfunde in Augsburg, Nürnberg und München erforschten Verfahrensgänge, Schutzvoraussetzungen, die rechtlichen Folgen und vor allem die Durchsetzbarkeit werden anschaulich. Die Erfindungsprivilegien sind jedenfalls im 18. Jahrhundert durchaus Teil einer festen Praxis. Interessant sind daher einige vergleichende Hinweise auf die urheberrechtliche Entwicklung und die vorsichtige Anknüpfung an die seinerzeit von Pohlmann zur Musikurheberrechtsgeschichte  entwickelten Thesen zu einem vereinheitlichenden Verfahren auch mit „modernen Zügen“. Der Verfasser will - wenn auch mit Einschränkungen hinsichtlich der Durchsetzbarkeit - einen Anspruch auf ein Erfindungsprivileg annehmen (S. 168). Wie die bemerkenswerte Auflistung der kaiserlichen und territorialen Erfindungsprivilegien zeigt, liegt der Schwerpunkt vor allem jedenfalls in Augsburg bei Heilmitteln (Balsam, Tinkturen, Heilpflaster, Essenzen); aber auch Papierformen und Prägeformen, holzsparende Öfen, Kessel oder Holzsägen konnten einen Gegenstand bilden (S. 175-182). Während im 16. Jahrhundert offenbar neue Techniken des Bergwesens und Hüttenwesens im Vordergrund standen, sind es im 17. und 18. Jahrhundert in Augsburg die diversen, offenbar wirtschaftlich besonders bedeutsamen Heilmittel. Hier hätte sich, da der Verfasser auch knapp die Entwicklung in den Vereinigten Staaten von Amerika streift (S. 97ff.) ein Blick auf den Patentschutz von Pharmazeutika in den Vereinigten Staaten angeboten (dazu z. B. Adrian Johns: Piracy, Chicago, London 2009, S. 82-108; Karl Theodor Krämer: Die Vergütung von (Arbeitnehmer-)Erfindungen am Beispiel von Arzneimitteln , historisch, de lege lata und de lege ferenda. Berlin 2011, insbesondere die historischen Kapitel).

 

Gewiss wird mit dieser allgemeinere und speziellere Problemstellungen geschickt verknüpfenden Studie nur ein kleinerer Ausschnitt der Praxis und der rechtlichen Grundlagen und Konsequenzen rekonstruiert. Dennoch ist der Ertrag in Bezug auf die kaiserlichen Privilegien trotz der begrenzten Quellenlage beachtlich. Der Hinweis auf weitere notwendige Forschungen in den größten Reichsstädten könnte in der Tat zusätzliche Aufschlüsse vermitteln (S. 172). Nach 1806 wird dann der neue normative Weg zu nationalen und internationalen Patentgesetzen beschritten. Doch ist dies nicht mehr Gegenstand dieser Arbeit. Ob die Entwicklung im 19. Jahrhundert sich hier in der Tat an Rechtsformen früherer Epochen zum Teil orientierte, bleibt allerdings meines Erachtens eine offene Frage. Mit der Einbettung lokaler und regionaler Forschungsergebnisse in die europäische Entwicklung zeigt sich, dass derartige begrenzte Quellenstudien einen wichtigen Beitrag liefern können, um unser z. T. noch lückenhaftes Bild vom Privilegienwesen der frühen Neuzeit zu differenzieren. Würden solche Untersuchungen durch heute mögliche, EDV-gestützte systematische Quellenerhebungen auf weitere Territorien und größere Städte erstreckt, könnten sich noch genauere Differenzierungen und Vergleiche zu Erfindungs- und Gewerbeprivilegien ermöglichen lassen.

 

Freiburg im Breisgau                                                   Albrecht Götz von Olenhusen