Feuerbachs Bayerisches Strafgesetzbuch. Die Geburt liberalen, modernen und rationalen Strafrechts, hg. v. Koch, Arnd/Kubiciel, Michael/Löhnig, Martin u. a. Mohr (Siebeck), Tübingen 2014. IX, 547 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Zu den großen, Geschichte gewordenen Leistungen der Strafrechtswissenschaft zählt das Strafgesezbuch für das Königreich Baiern, das Maximilian Joseph, von Gottes Gnaden König von Baiern mit Geltung ab 1. Oktober 1813 am sechzehnten Tage des Monats Mai im ein tausend acht hundert und dreizehnten - „Unsers Reiches im achten“ - Jahre promulgierte (s. http://www.koeblergerhard.de/Fontes/StrafgesetzbuchfuerdasKoenigreichBaiern1813.pdf). Sein Erscheinen jährte sich 2013 zum zweihundersten Mal. Aus diesem Anlass fand im Wintersemester 2012/2013 an der Universität Regensburg eine Tagung und Vorlesungsreihe zu der Frage statt, ob und inwieweit die leitenden Ideen dieses Gesetzbuchs auch heute noch zukunftsweisend sind, deren Ergebnisse nach dem kurzen Vorwort der in Augsburg, Köln, Regensburg und Freiburg im Breisgau tätigen Herausgeber im vorliegenden Band nachzulesen sind.
In ihn leitet einführend Michael Kubiciel ein. Dabei stellt er sich und seinen Lesern die Frage: vom Dunkel ins Licht? Als Antwort gelangt er zwar zu der Erkenntnis, dass die Gegenüberstellung von dunklem Racheengel und leuchten-heller Justitita die Geschichte der bayerischen Strafrechtsreform vereinfacht und idealisiert, weil das Strafgesetzbuch durchaus von dunklen Punkten durchschattet ist, geht aber davon aus, dass der Verfasser des Gesetzbuchs die zu seiner Zeit richtigen Fragen gestellt hat.
An diese Einleitung schließen sich insgesamt 26 Beiträge an. Sie sind in drei zusammenfassende Gruppen gegliedert. Diese betreffen den historischen und philosophischen Kontext, den Inhalt und die Wirkungen.
Im ersten Teil beginnt dabei Tonio Walter mit dem Gelehrten, Gesetzgeber und Richter P(aul) Johann Anselm Feuerbach als dem Schöpfer des Werkes. Danach behandelt Arnd Koch die Entwicklung des Strafrechts zwischen 1751 (Kreittmayr) und 1813 (Feuerbach), Jan Zopfs den Weg von der Folter zu den Lügenstrafen und Ungehorsamsstrafen, Martin Löhnig die Souveränität des jungen Königreichs Bayern, Ulrike Müßig die Strafrechtskodifikationen Frankreichs, Karl Härter das Polizeistrafrecht, Eric Hilgendorf die Rechtsphilosophie der Aufklärung und Reinhard Brandt Feuerbachs Verhältnis zu Kant. Wolfgang Frisch untersucht Feuerbachs Straftheorie und Strafbemessungslehre, Günther Jakobs Feuerbachs Verbrechensbegriff mit der Rechtsverletzung im Mittelpunkt.
Hinsichtlich des Inhaltes geht Ignacio Czeguhn von den Strafarten aus. Carl-Friedrich Stuckenberg betrachtet Vorsatz und Zurechnung, Ken Eckstein Urheberschaft und Teilnahme, Luis Greco die Strafzumessung, Michael Pawlik die Aufhebung der Strafbarkeit, David von Mayenburg die strafrechtliche Verfolgung von Kindern und Jugendlichen, Anette Grünewald Tötungsdelikte, Henning Ernst Müller und Edda Pauli die Aussagedelikte, Friedrich-Christian Schroeder die Staatsverbrechen und Michael Kubiciel die Religionsdelikte und Sittlichkeitsdelikte. Auf das Strafprozessrecht und die Geschworenengerichte greifen Volker Haas und Mareike Preisner aus.
Hinsichtlich der Wirkungen ordnet Sylvia Kesper-Biermann Bayerns Strafgesetzbuch von 1813 in die gesamte Kodifikationsbewegung des 19. Jahrhunderts ein. Lukas Gschwend spürt dem Einfluss Feuerbachs auf die Strafrechtsentwicklung in der Schweiz nach. Während Andreas Maihold die Diskussion zu Reform und Ablösung des bayerischen Strafgesetzbuchs behandelt, widmet sich Andreas Roth schließlich der Frage, ob die Rezeption des bayerischen Strafgesetzbuchs durch Legislative und Wissenschaft als Vollendung der Aufklärung oder Aufbruch in die Moderne zu verstehen ist.
Rückwirkend erkennt er dabei durchaus einen Aufbruch in die Moderne in der Form des radikalen Bruches mit dem gemeinen Recht, dem liberalen Geist und der rechtsstaatlichen Grundlage. Dementsprechend versucht er an Hand zweier ansprechender Beispiele die Einsicht zu belegen, dass das Strafgesetzbuch Feuerbachs uns auch heute noch etwas zu sagen hat. Dem entspricht wohl das Grundverständnis aller Beiträger des gewichtigen, leider nicht durch ein Sachverzeichnis aufgeschlossenen Sammelbands.
Innsbruck Gerhard Köbler