Eckel, Jan, Die Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 936 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Menschenrechte als dem Menschen als solchem (vor allem gegenüber dem Staat) zustehende angeborene, unveräußerliche und unantastbare Rechte werden trotz einzelner antiker und mittelalterlicher Vorläufer erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts allgemeiner angesprochen und anerkannt. Dementsprechend werden 1776 fundamentale Rechte in die von George Mason entworfene  Virginia Bill of Rights aufgenommen und werden davon beeinflusst in Frankreich 1789 allgemeine Menschenrechte (Freiheit, Gleichheit und Weltbürgertum) vorgetragen. Während diese Anfänge bereits vielfach untersucht wurden, ist die Verwirklichung von Menschenrechten in der jüngeren internationalen Politik bisher umfassend wenig erörtert.

 

Das diese Lücke erforschende vorliegende Werk ist eine überarbeitete und gekürzte Fassung der im Mai 2013 an der Universität Freiburg im Breisgau eingereichten, von Ulrich Herbert und Jörn Leonhard begutachteten Habilitationsschrift des 1973 geborenen, in Geschichte, Germanistik und Spanisch in Passau, Salamanca und Freiburg ausgebildeten, 2004 mit einer intellektuellen Biographie über Hans Rothfels promovierten und danach als wissenschaftlicher Assistent für neuere und neueste Geschichte in Freiburg tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach Einleitung und Prolog über die internationale Menschenrechtspolitik vor 1945 als historiographisches Problem in zwei Teile. In fünf Kapiteln betrachtet der Verfasser zunächst die 1940er bis 1960er Jahre, in weiteren fünf Kapiteln die beiden anschließenden Dekaden.

 

Den Beginn bilden dabei die alliierten Zukunftsvisionen im Rahmen der Ziele, Pläne und Hoffnungen für die Nachkriegszeit, in der neue Medien wie neue Infrastrukturen eine allgemeine Globalisierung ermöglichen und fördern. Danach behandelt der Verfasser die Menschenrechtspolitik in den Vereinten Nationen, im Europarat und in der Organisation amerikanischer Staaten sowie die Bedeutung der NGOs und der Menschenrechte in der Dekolonisierung. Im zweiten Teil untersucht er Amnesty International und die Neuerfindung des westlichen Menschenrechtsaktivismus, das außenpolitische Programm westlicher Regierungen, die Politik gegen die Diktatur in Chile, die Menschenrechte in Osteuropa mit der ungeahnten Wirkung des KSZE-Prozesses sowie die Menschenrechte in der postkolonialen Welt bis hin zu afrikanischen Menschenrechten als Erfindung einer Tradition.

 

Im Ergebnis kann er überzeugend feststellen, dass sich Menschenrechte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil der internationalen Politik entwickelten. Sie wurden dabei allerdings in vielfältiger Weise zur Durchsetzung unterschiedlichster Interessen verwendet. Zwar stehen die Menschenrechte insgesamt auf der Seite des Guten, aber das Gute kann, wie der Titel treffend zum Ausdruck bringt, an unterschiedlichen Orten von verschiedenen Betrachtern durchaus ambivalent gesehen werden.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler