Die Grenzen des Netzwerks 1200-1600, hg. v. Hitzbleck, Kerstin/Hübner, Klara. Thorbecke, Ostfildern 2014. 269 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Netz kennt bereits die vormenschliche Natur in der Form des auf dem Umschlag abgebildeten Spinnennetzes, selbst wenn die dort vorgenommene Häufung tatsächlich kaum oder höchstens sehr selten vorkommt. Nach dem tierischen Vorbild haben schon die frühmenschlichen Jäger für ihre Zwecke Netze nachgebildet, die insbesondere im Wasser von ihren Nachfolgern bis heute mit großem Erfolg verwendet werden. Das Netzwerk ist demgegenüber eine erst im Mittelniederdeutschen belegte Vorstellung, die mit der digitalen Entwicklung der Gegenwart eine von den Herausgeberinnen mit 2521 Treffern vom 11. Juni 2013 auf der Plattform HSozuKult dokumentierte allgemeinere Bedeutung erlangt hat, aber sachlich auch bereits für ältere geschichtliche Gegebenheiten verwendet werden kann.

 

Anlass für einen Workshop und den mit Abstrichen und Ergänzungen daraus hervorgegangenen vorliegenden Band war nach dem kurzen Vorwort ein gewisses Unbehagen der in Bern und Opava wirkenden Herausgeberinnen angesichts des geradezu ungeheueren Erfolgs des Netzwerkparadigmas, das sich sein Wolfgang Reinhard und seiner wegweisenden Studie zur Verflechtung an der römischen Kurie in der frühen Neuzeit durchgesetzt hat. Da das Netzwerk flexibel, suggestiv und praktikabel ist, gibt ihm der Erfolg zwar recht, doch begründet das grundsätzliche Unbehagen auch die offene Diskussion über die Grenzen. Sie erfolgt in insgesamt zwölf einzelnen Studien.

 

Dabei stehen Überlegungen zu einem erfolgreichen Paradigma an der Spitze und versuchen zusammenfassende Bemerkungen am Ende ein Gesamtergebnis. Auf diesem ansprechenden Weg werden etwa die Quellenliste des Capodilista-Kodex, der Codex des Rolando Talenti, die kardinalizischen Beziehungen im 13. Jahrhundert, Johann Waldner (um 1430-1502), informeller Kontaktnetze in der Eidgenossenschaft und am Oberrhein im Kontext der Burgunderkriege (1468-1477), die politische Kultur der italienischen Stadtrepubliken, kommunale Bündnisse des Spätmittelalters, Hofparteien oder die Anleitung des Bernhard von Clairvaux zum Vergessen angesprochen. Im Ergebnis sieht der vielfältige, eines Sachregisters entbehrende Sammelband außer den Problemen und Grenzen der Anwendung des suggestiven Netzwerkparadigmas auf die vergangene Gesellschaft auch durchaus Chancen zusätzlicher Erkenntnisgewinnung bei differenzierender Benutzung.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler