Die Freiburger Kreise. Akademischer Widerstand und Soziale Marktwirtschaft, hg. v. Maier, Hans (= Politik- und kommunikationswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft 31). Schöningh, Paderborn 2014. 263 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Der Band fasst die „wesentlichen Ausschnitte“ (Referate, Diskussionsbeiträge) einer Tagung zusammen, die vom 8. bis zum 10. 10. 2010 im „Alten Pfarrhaus“ von Mooshausen (Schwaben) unter der Leitung Hans Maiers und Hans F. Zachers stattfand (S. 7). Im Eingangsreferat „Akademischer Widerstand im Dritten Reich“ (S. 11-23) stellt Hans Maier die Freiburger Kreise vor (Gemeinschaftsseminar von Juristen und Nationalökonomen, Freiburger Konzil, das Ende 1938 die Denkschrift „Kirche und Welt“ verfasste, Bonhoeffer-Kreis, der 1943 die Denkschrift „Politische Gemeinschaftsordnung: ein Versuch zur Selbstbesinnung des christlichen Gewissens in den politischen Nöten unserer Zeit“ vorlegte und die Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath ab 1943). Es folgen die Vorträge von Hugo Ott (Professor an der  Universität Freiburg ab 1971): „Die Freiburger Kreise – der Freiburger Kreis“ (S. 25ff.), Günter Brakelmann (Professor an der Ruhr-Universität Bochum 1972) über „Christen im Widerstand: Die Freiburger Denkschriften“ (S. 41ff.) und von Daniela Rüther (Universität Jena) über: „Der Einfluss der Freiburger Kreise auf die Widerstandsbewegung vom 20. Juli 1944“ (S. 57ff.). Als maßgebliche Mitglieder der Freiburger Kreise werden herausgestellt Walter Eucken, Adolf Lampe, Constantin von Dietze und Franz Böhm, die für einen staatlich geordneten Leistungswettbewerb eintraten. Zusammenfassend entwickelt wurde die Konzeption einer vollständigen Konkurrenz mit freier Preisbildung von Eucken in seinem Werk von 1940: „Die Grundlagen der Nationalökonomie“, die Eingang fand in die genannte Denkschrift von 1943 und in die Vorschläge des Kreisauer Kreises (Rüther, S. 65).

 

Im Teil II des Bandes: „Die Wortführer: Walter Eucken, Adolf Lampe, Constantin von Dietze, Franz Böhm, Gerhard Ritter“, enthält die „Erinnerungen an Walter Eucken“ von seiner Tochter Irene Eucken (S. 73ff.), den Beitrag Klaus Lampes: „Adolf Lampe – Erinnerungen seines Sohnes“ (S. 153), die Studie Daniela Rüthers über Adolf Lampe sowie die Untersuchung Gottfried von Dietzes: „Constantin von Dietze – Erinnerungen seines Sohnes“ (S. 133ff.). Uwe Dathe (Universität Jena) beschäftigt sich in dem Beitrag „Walter Eucken – von der liberalen Krisendeutung zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ (S. 113ff.) mit Leben und Werk Euckens, einem Sohn des Philosophen Rudolf Eucken. Weniger ausführlich ist die Studie Daniela Rüthers über Adolf Lampe (S. 125ff.), während ein Aufsatz über Constantin von Dietze (abgesehen von dem biografischen Beitrag) fehlt. Uwe Dathe befasst sich auch mit dem Juristen Franz Böhm (ab 1946 Professor  in Frankfurt/Main und ab 1949 Bundestagsabgeordneter) und Klaus Schwabe mit dem Historiker Gerhard Ritter (Professor von 1925 bis 1956 an der Universität Freiburg im Breisgau; S. 163ff.; vgl. auch Günther Gillessen über die Irritationen um den Gerhard-Ritter-Preis im Jahre 2008, S. 187ff.). Die meisten Beiträge gehen auch ein auf die „Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre“ in der Akademie für Deutsches Recht unter dem Vorsitz Erwin von Beckeraths (Professor 1922 in Kiel, 1929 in Köln und ab 1939 in Bonn), der das genannte Werk Euckens aus dem Jahre 1940 auf den Tagungen der Arbeitsgemeinschaft am 24. 11. 1940 und 23./24. 5. 1941 behandelte (Sitzungsprotokolle bei W. Schubert [Hrsg.], Akademie für Deutsches Recht. Protokolle, Bd. XIX, 2011, S. 161-264), an denen auch Eucken und Lampe teilnahmen. Nach Stilllegung der Arbeitsgemeinschaft fand eine Weiterarbeit in der sog. Freiburger „Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath“ statt. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft in der Akademie für Deutsches Recht für Agrarpolitik war Constantin von Dietze, der an deren Sitzungen vom 24./25. 7. 1941 und vom 23. bis 25. 7.  1942 teilnahm (Schubert, aaO., S. XXV, 579ff.). Hinzuweisen ist auch noch auf die Akademie-Arbeitsgemeinschaft für Preispolitik unter dem Vorsitz von Günter Schmölders (Professor in Köln), zu deren Mitgliedern auch Lampe und Graf Yorck von Wartenberg gehörten. Schmölders gab 1942 den Band: „Der Wettbewerb als Mittel volkswirtschaftlicher Leistungssteigerung und Leistungsauslese“ heraus mit Beiträgen u. a. von Franz Böhm, Leonhard Miksch und Walter Eucken (Referat vom 3. 11. 1941 in der genannten Arbeitsgemeinschaft über: „Wettbewerb als Grundprinzip der Wirtschaftsverfassung“). Leider konnten die Ausschussprotokolle bisher nicht aufgefunden werden. Möglicherweise befinden sie sich in dem noch ungeordneten umfangreichen Nachlass von Schmölders in den USA (Stanford-University).

 

Der Band wird abgeschlossen mit Teil III: „Die verschlungenen Wege zur Sozialen Marktwirtschaft“ (S. 195ff.). Hans F. Zacher (1971 Professor an der Universität München) stellt nach einem historischen Rückblick u. a. fest, dass die europäischen Länder der Konzeption der „Sozialen Marktwirtschaft“ gefolgt sind, ein Begriff, der auf Alfred Müller-Armack zurückgeht (S. 204, 257f.) und der, wie Dathe in dem Beitrag: „Walter Eucken und die Soziale Marktwirtschaft“, S. 214, ausführt, auf „wahltaktisch-politischen Gründen“ beruht. Wenn die Freiburger Schule und insbesondere Eucken, Böhm und Miksch als Wegbereiter der Markt- und Preisfreigabe im Jahre 1948 anzusehen sind, so ist mit Dathe gleichzeitig festzustellen, dass die „universelle Wettbewerbsordnung“ (S. 215, nach Miksch) nicht kompromisslos, insbesondere nicht für die Landwirtschaft, verwirklicht wurde (Dathe, S. 215f., 230, 233). Aus der Diskussion werden auf den Seiten 217-243 wichtige Wortbeiträge mitgeteilt. Das Werk wird abgeschlossen mit kurzen Lebensläufen der Autoren (S. 269-276) und mit einem Personenregister. Im Ganzen wäre es erwünscht gewesen, wenn die Autoren in der Druckfassung ihrer Beiträge noch detaillierter auf die Inhalte der Denkschriften eingegangen wären. Insgesamt verdeutlicht der lesenswerte Band, dass die Aufarbeitung der Konzeptionen der Freiburger Kreise aus rechtshistorischer Sicht wohl erst in den Anfängen steckt.

 

Kiel

Werner Schubert