Der Wiener Kongress – Die Erfindung Europas, hg. v. Just, Thomas/Maderthaner, Wolfgang/Maimann, Helene. Carl Gerolds Sohn, Wien 2014. 448 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wer das Wort Kongress hört, denkt in der Gegenwart vielleicht am ersten an die Vereinigten Staaten von Amerika, in der Geschichte aber vor allem an den Wiener Kongress der Jahre 1814 und 1815. Dementsprechend steht bei Google unter seinen 16,7 Millionen Ergebnissen für Kongress unter dem ersten Überblicksartikel nach der Erklärung des Kongresses als Tagung oder Zusammenkunft und als wissenschaftliche Konferenz der Wiener Kongress als Botschafterkonferenz zur Neuordnung Europas nach den napoleonischen Kriegen noch vor allen gesetzgebenden Versammlungen in verschiedenen Staaten wie etwa in Libyen oder den Vereinigten Staaten von Amerika.

 

Zweihundert Jahre nach dem Beginn (18. September 1814) dieses wohl bedeutendsten politischen Kongresses in der Vergangenheit bietet sich der historische Rückblick zur geschichtlichen Vergewisserung der Gegenwart gewissermaßen von selbst an. Dementsprechend sind bereits verschiedene Veröffentlichungen zu diesem Thema erfolgt. An Gewicht und Größe wird dabei der vorliegende, wissenschaftlich fundierte, aber auch für eine breitere Öffentlichkeit offene Band, der als „schönstes und facettenreichstes Buch über die Erfindung Europas“ mit Vorteilen für Österreich infolge des Geschickes Metternichs firmiert, nicht leicht zu übertreffen sein.

 

Er gliedert sich insgesamt in vier Teile mit 23 (bzw. 24) Untergliederungen. Den Beginn bildet die alte und die neue Welt, für die etwa Dieter Langewiesche die internationale Ordnung beschreibt, Andreas Platthaus Befreiung und Eroberung behandelt und Manfred Rauchensteiner das Leben des „geradlinigen“ Clemens Lothar Fürst Metternich nachzeichnet. Für das spätfeudale und vormoderne Wien legt Ferdinand Opll das Stadtbild dar, weitere Beiträge erörtern den Überwachungsstaat, die Vorstädte und Vororte oder die Mode. Der am 9. Juni 1815 endende Wiener Kongress als Kern wird zwischen Kaltfronten, Judenemanzipation, Finanzen, Tanz, Arbeit, Backstage, Musik, Hofwirtschaft und Frauen aufgeteilt.

 

Impulse und Resonanzen widmen sich dem Sklavenhandel, dem Schweizer Imbroglio, der Kreditwürdigkeit, Kriegsentschädigung und dem kulturellen Erbe in Preußen sowie der Hinterlassenschaft im beinern-papiernen Totenhaus des Archivs. Eine vielspaltige Zeittafel fasst die Ereignisse zwischen  1789 und 1815 in Europa, der Welt, Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Kultur hilfreich zusammen. Kurzbiographien am Ende betreffen nicht die seinerzeitigen Akteure, sondern die 23 Verfasser von Christian Cwik bis Shulamit Volkov, während die Seite 444 die zahlreichen, veranschaulichenden Bildbeigaben nachweist.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler