Crippa, Luca/Onnis, Maurizio, Wilhelm Brasse – Der Fotograf von Auschwitz, aus dem Italienischen von Genzler, Bruno. Blessing, München 2014. 336 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In dem Konzentrationslager Auschwitz wurden unter der Kommandantur Rudolf Höß‘ mehr als 500000 Menschen getötet. Ihr Leiden und Sterben wurde ebenso wie die Daten der Überlebenden bürokratisch verwaltet. Dabei war auch die Fotografie von einer gewissen Bedeutung, weshalb der in Saybusch in Galizien (nahe Auschwitz) am 3. Dezember 1917 als Sohn eines Österreichers und einer Polin geborene und ebenda am 23. Oktober 2012 gestorbene Wilhelm Brasse, der in Kattowitz als Jugendlicher eine Lehre als Fotograf begonnen hatte und als polnischer Soldat am 31 August 1940 nach seiner Gefangennahme und Entscheidung gegen einen Eintritt in die deutsche Wehrmacht in das Gefangenlager Auschwitz gebracht wurde, zu einem wichtigen Zeitzeugen wurde.

 

Ihn lernten die beiden Verfasser, von denen Luca Crippa nach dem Studium von Philosophie und Theologie ein Werk über die Darstellung von Hölle und Paradies in den schönen Künsten veröffentlichte und Maurizio Onnis nach dem Studium der Geschichte neben der Arbeit als Lektor zahlreiche historische Untersuchungen verfasste, kurz vor seinem Tod kennen. Unter Verwendung von Aufzeichnungen Brasses und anderen Dokumenten schrieben sie seine Lebensgeschichte auf. In Bezug auf Auschwitz besteht sie im Kern aus der Fotografie von bis zu 50000 Menschen im Rahmen des Erkenntnisdiensts der geheimen Staatspolizei, deren Ergebnis gegen Kriegsende eigentlich hätte vernichtet werden sollen, wegen der schlechten Brennbarkeit des Materials und einer persönlichen Entscheidung Brasses aber zum größten Teil erhalten blieben.

 

Gegliedert ist die 2013 in italienischer Sprache erschienene, mit Abbildungen des Fotografen in jungen und späten Jahren und einiger der Täter und Opfer bereicherte Darstellung nach einem Prolog über einen Nachmittag bei dem Erkennungsdienst in drei chronologisch angeordnete Kapitel über die Jahre 1941-1942 (sich verstecken, um zu überleben), 1943 (im Dienste seiner Herren) und 1944-1945 (sich auflehnen und Zeugnis geben) sowie einen Epilog und das, was nach dem Krieg geschah. Brasse, dessen Tätigkeit die Autoren eindrucksvoll nacherzählen, konnte am 21. Januar 1945 in einem offenen Kohlenwagen in Richtung Mauthausen verlassen und in Melk am 6. Mai befreit werden. Auf Grund seiner Auschwitzer Traumatisierung konnte er niemals mehr als Fotograf arbeiten, aber doch noch an der bedeutsamen Dokumentation seiner grausamen Erlebnisse während der nationalsozialistischen Herrschaft  in Wort und Bild mitwirken.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler