Cassirer, Ernst, Über Rousseau, hg. und mit einem Nachwort v. Kreis, Guido (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1025). Suhrkamp, Berlin 2012. 174 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

 

Der in Genf 1712 als Sohn eines Uhrmachers geborene, in Ermenoville 1778 gestorbene Jean-Jacques Rousseau gehört zweifelsohne zu den großen Aufklärern des 18. Jahrhunderts. Insbesondere in seinem 1762 veröffentlichten Werk Du contrat social legte er seine Erkenntnis dar, dass alles menschliche Leben auf einem Vertrag aller sich ursprünglich feindlich gegenübertretenden Einzelnen beruhe, weshalb die Gewalt in einem Gemeinwesen dem Volk zustehe, das aber aus Zweckmäßigkeit einen Einzelnen mit der Führung der allgemeinen Geschäfte beauftragen und den Auftrag auch wieder entziehen könne. Insbesondere angesichts des großen politischen Erfolgs dieser Vorstellung verdient eine genaue Analyse ihrer Konsistenz ungeteilte Aufmerksamkeit.

 

Sie ist bereits 1932 durch Ernst Cassirer (Breslau 1874-New York 1945) erfolgt, der nach einem  Studium der (Rechtswissenschaft und) deutschen Literatur und Philosophie in Berlin, der in Marburg 1899 bei Hermann Cohen über Descartes‘ Kritik der mathematischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnis erfolgten Promotion und der zunächst von mehreren Universitäten abgelehnten, aber 1906 in Berlin angenommenen Habilitationsschrift und längerer Tätigkeit als Privatdozent ab 1919 für das Fach Philosophie an der Universität Hamburg wirkte. Da ihm wegen seiner jüdischen Herkunft 1933 der Lehrstuhl entzogen wurde, wechselte er über Großbritannien und Schweden in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo  er nach einiger Zeit eine Professur in Yale und an der Columbia-Universität New Yorks erhielt. In seiner Studie Das Problem Jean-Jacques Rousseau legte Cassirer dar, dass als eigentlicher Mittelpunkt der unterschiedlichen Facetten Rousseaus die Theorie der Subjektivität und der universellen praktischen Vernunft anzusehen sind.

 

Der als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Philosophie der Universität Bonn tätige Herausgeber hat sich bereits 2010 mit Cassirer und den Formen des Geistes beschäftigt. Auf dieser Grundlage versammelt er die Arbeiten Das Problem Jean Jacques Rousseau  und Kant und Rousseau mit Nachweisen und Anmerkungen im vorliegenden Taschenbuch. In seinem 25 Seiten umfassenden Nachwort erklärt er ansprechend Ernst Cassirers Problem Jean Jacques Rousseau als Problem Ernst Cassirers, der aus seiner Sicht in Rousseaus Gedankengang seine eigene sittliche Phänomenologie von der impliziten Normativität allen Symbolgebrauchs über das positive Recht zum Naturrecht und weiter zur Moral und damit den Gang der symbolischen Form des Rechtes im weiten Sinn wiederfinden konnte, so dass Rousseau über Cassirer hinaus noch in der Gegenwart aktuell ist.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler