Büsch, Philipp, Der Wettbewerbsgedanke im Energierecht. Die Diskussion um die Reform des Energiewirtschaftsgesetzes zwischen 1948 und 1973 (= Rechtsordnung und Wirtschaftsgeschichte 11). Mohr (Siebeck), Tübingen 2014. XIV, 227 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Alles hat seinen Preis, wussten die Menschen womöglich bereits vor der Erfindung des Geldes, aber welcher Preis ist gerecht, fragen sie sich seit langem ebenfalls. Ein Mittel zur Bestimmung dieser Gerechtigkeit kann der Wettbewerb auf dem freien Markt sein, der grundsätzlich anlockt, solange Gewinnmöglichkeiten bestehen, und grundsätzlich ausschließt, sobald sie enden. Angesichts der mindestens seit Entstehung der Zivilisation wachsenden, vor allem in der jüngeren Vergangenheit von vielen Seiten gestützten Nachfrage nach Energie ist daher eine Untersuchung über den Wettbewerbsgedanken im Energierecht in jedem Fall eine verheißungsvolle Aufgabe.

 

Ihr stellt sich der Verfasser in seiner von ihm thematisch angedachten, von Mathias Schmoeckel betreuten und im Februar 2014 an der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn erfolgreich verteidigten Dissertation. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Einführung, Fragestellung, Thesen, methodische Überlegungen, Stand der Forschung, Quellenbericht und Gang der Untersuchung in ihrem Untersuchungsteil in drei sachlich-chronologisch geordnete Abschnitte. Sie betreffen rechtliche und wirtschaftliche Faktoren des Energiesektors im Untersuchungszeitraum, an deren Beginn das historisch gewachsene Energierecht steht, Liberalisierungsbestrebungen im Energierecht zwischen 1948 und 1973 (mehr Wettbewerb wagen) und die anschließende Abkehr von der Reformpolitik.

 

Im Ergebnis stellt der Verfasser fest, dass bereits wenige Jahre nach der Entstehung der Elektrizitätswirtschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert das Deutsche Reich fiskalisches und wegen der Leitungsgebundenheit und begrenzten Speicherbarkeit ordnungspolitisches Interesse gewann, seine damit verbundenen Ziele aber nicht erreichte. Stattdessen wurde dem bereits früh erkannten Hang zur Monopolisierung der Elektrizitätswirtschaft auf kommunaler Ebene mit Hilfe des Eigentums an für die Leitungsverlegung benötigten Straßen und Wegen mit Vereinbarungen von Anschlusspflichten und Versorgungspflichten sowie Regelungen zur Tarifgestaltung in Konzessionsverträgen begegnet und die gesonderte Besteuerung der Elektrizitätswirtschaft durch den Einstieg der Träger öffentlicher Gewalt in die Eigentümerstruktur der Elektrizitätswirtschaft, in der bald die Hälfte der Elektrizität von der öffentlichen Hand erzeugt wurde, ersetzt. Der Versuch der Sozialisierung der Elektrizitätswirtschaft am Ende des ersten Weltkriegs scheiterte (wie bereits zuvor) an der gegenseitigen Blockade von Reich und Ländern, so dass sich endgültig streng voneinander abgegrenzte Versorgungsgebiete mit jeweiliger Monopolstellung der dortigen Energieversorgungsunternehmen durchsetzten.

 

Wesentlich für das Scheitern eines eine Reform versuchenden Referentenentwurfs des Jahres 1973 war nach den Erkenntnissen des Verfassers die mangelnde Berücksichtigung des Sonderwirtschaftsrechtscharakters des Energierechts, mitursächlich die Verflechtung von Politik und Energiewirtschaft. Vor dem Hintergrund der Ölkrise konnte die bloße Hoffnung auf wettbewerbsbedingt günstigere Energiepreise die Angst vor Versorgungsunsicherheit nicht aufwiegen, zumal die Begünstigten der bisherigen Rechtslage im privaten wie im öffentlichen Bereich sich mit größtmöglichen Anstrengungen für den Fortbestand einsetzten. Erst mit dem Energiewirtschaftsgesetz des Jahres 1998 kam es auch unter dem Druck der Europäischen Kommission zu einer Neuordnung des Energierechts.

 

Seit der Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahre 2005 sind die Netzbetreiber gesetzlich verpflichtet, Netzzugang zu gewähren, wofür die Nutzungsentgelte verlangen können. Im Jahre 2007 erfolgte der nächste Schritt zu einer Anreizregulierung, während für die bislang nicht verbindlich vorgeschriebene eigentumsrechtliche Entflechtung in der Bundesrepublik Deutschland eine gesetzliche Grundlage noch fehlt. Insofern ist der vom Verfasser kenntnisreich, weiterführend, spannend und überzeugend beschriebene Weg des vielleicht eines Tages auch für den Verbraucher nützlicheren Wettbewerbsgedankens im Energierecht bisher nur zu einem vorläufigen und noch nicht endgültigen Ziel durchschritten.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler