Bivolarov,
Vasil, Inquisitoren-Handbücher. Papsturkunden und juristische Gutachten aus
dem 13. Jahrhundert mit Edition des Consilium von Guido Fulcodii (= Monumenta
Germaniae Historica, Studien und Texte 56). Harrassowitz, Wiesbaden 2014. XXXIII,
327 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Ketzer bekämpft die Kirche schon im ausgehenden
Altertum durch Verbote der Gottesdienste, Enteignung der Güter und Androhung
der Todesstrafe. Seit 1215/1231/1252 (1215 4. Laterankonzil mit Pflichtbeichte
mit der Folge der Herausbildung eines inquisitorischen Prozessrechts für die
Beichtpraxis) werden besondere Inquisitoren (Untersucher) eingesetzt (z. B.
1227 Konrad von Marburg). Als Papst Gregor IX. (1227-1241) die Bettlerorden der
Dominikaner und Franziskaner mit der gerichtlichen Verfolgung der Ketzer
beauftragt, entsteht, wie der Verfasser in seiner Einleitung darlegt, eine besondere
Gemeinschaft von Richtern zur Ermittlung und Verfolgung, für die vor allem die
Päpste zahlreiche Regeln in Urkunden und Gutachten schufen, welche in
Inquisitoren-Handbücher beziehungsweise Sammlungen für Inquisitoren aufgenommen
wurden.
Mit ihnen befasst sich die vorliegende, von Peter Herde
angeregte und betreute, im Frühjahr 2012 von der philosophischen Fakultät I der
Universität Würzburg angenommene überzeugende Dissertation des Verfassers, der
ursprünglich eine kritische Edition des Consilium des Guido Fulcodii vornehmen
sollte, in diesem Zusammenhang aber vielleicht sämtliche Handschriften über die
Inquisition im 13. Jahrhundert ermittelte, die Rechtsgrundlagen der Inquisition
erforschte und ihre Entwicklung im 13. Jahrhundert verfolgte. Gegliedert ist
die Arbeit außer in Einleitung und Ergebnisse in sieben Sachkapitel. Sie
betreffen die 192 Handschriften der Papstbriefe und der 43 Konsilien in
Bologna, Clermont-Ferrand, Dole, Dublin, Faenza, Florenz, Greifswald, Linz,
Mailand, Mantua, New Haven, Paris, Rom, Siena, Sankt Florian, dem Vatikan,
Venedig, Vicenza und Wolfenbüttel, kurz das Verhältnis einiger bzw. der
Handschriften, die Editionsgrundsätze, die Regesten der einschlägigen
Papstbriefe, das Repertorium der Consilia, das etwa 15 ganze Seiten umfassende
Consilium des Guido Fulcodii für provenzalische Dominikanerinquisitoren
(September 1238-August 1243) und die Organisation und Praxis der päpstlichen
Inquisitoren im 13. Jahrhundert (Stellung und Sitz, Amt und Voraussetzungen,
Dauer, Auswahl, Zusammensetzung des Gerichts, Rechtsbeistand, Mitarbeiter,
weltlicher Beistand, Finanzierung, Rechte, sachliche Zuständigkeit,
Organisation, Vorgehensweise von den ersten Maßnahmen bis zum Urteil sowie
Bestrafung der Schuldigen).
Im Ergebnis kann der Verfasser feststellen, dass die ersten
Handbücher vermutlich kurz nach der Einführung der ständigen päpstlichen
Inquisitionsgerichte entstanden, weil die unterwegs befindlichen Inquisitoren
einer schriftlichen Grundlage ihrer Tätigkeit bedurften. Als Folge seiner Lücken schließenden Betrachtung kann er für
einige Handschriften neue Datierungen vorschlagen und direkte Verbindungen
zwischen Textzeugen wahrscheinlich machen, fünf bisher unerforschte Manuskripte
und einige wichtige, bisher unbekannte Papsturkunden veröffentlichen. Für das Consilium des provenzalischen Juristen
Guido Fulcodii kann er zeigen, dass es
in Bologna erst intensiv benutzt wurde, als es Guido de Baysio abschrieb und
fast unverändert als eigenes ausgab, so dass seine Arbeit insgesamt einen neuen
Anstoß zu einer Gesamtaufarbeitung des vorhanden Materials und zu einer vertieften
Erforschung von Gesetzgebung und Auslegung bieten kann, um die rechtlichen
Voraussetzungen und die tatsächliche Durchführung der Häretikerbekämpfung im
13. Jahrhundert noch besser zu erhellen.
Innsbruck Gerhard
Köbler