Benesch, Markus, Die Wiener Christlichsoziale Partei 1910-1934. Eine Geschichte der
Zerrissenheit in Zeiten des Umbruchs. Böhlau, Wien 2014. 420 S.
Dem Menschen geht es in erster Linie um
die Verwirklichung seiner eigenen Interessen, sei es allein, sei es auf dem Weg
über andere Menschen. Zu diesem Zweck haben sich wohl schon immer Menschen
zusammengetan, darunter vor allem seit der Aufklärung der frühen Neuzeit die
Parteien. Zur Gewinnung von Unterstützung haben sich dabei in der Geschichte auch
die Firmierungen als christlich und als sozial als durchaus zielführend
erwiesen und können dies trotz der allgemeinen Säkularisierung der
abendländischen Gesellschaft auch in der Gegenwart anscheinend noch sein.
Der als Historiker ausgebildete, als
Referent im Bundesministerium für Inneres in Wien tätige, nach Ausweis des
Karlsruher Virtuellen Bibliothekskatalogs literarisch noch nicht weiter
hervorgetretene Verfasser widmet sich einem interessanten, bisher nicht umfassend
beleuchteten Gegenstand mehr als 90 Jahre, nachdem die Christlichsoziale Partei
ihre einst führende Stellung in Wien an die einfachen Sozialisten verlor. Er
gliedert sein Werk in insgesamt sieben Abschnitte und drei Phasen. Phase 1
betrifft den Niedergang zwischen 1910 und 1919, Phase 2 die Konsolidierung in
den Jahren 1919 bis 1923, 1924 bis 1927 und 1927 bis 1929 und Phase 3 den
weiteren Niedergang einschließlich der Periode von 1932/1933 bis 1934.
Ausgehend von Karl Lueger stellt der
Verfasser zahlreiche bedeutende Politiker der Christlichsozialen Partei wie
Leopold Kunschak oder Ignaz Seipel, aber auch der Wiener Sozialdemokratie kurz
vor und gelangt am Ende zu dem überzeugenden Ergebnis, dass der Niedergang der
Wiener Christlichsozialen Partei zwischen 1910 und 1934 auf Fehler wie die
Nichterkennung der Arbeiterschaft als Wählergruppe und den Umgang mit den bürgerlichen
Juden sowie mangelnde Fehlerkorrektur zurückzuführen ist, denen bedeutende Erfolge
des Mitbewerbers gegenüberstanden. Ähnliche Entwicklungen dürften sich im
Gefolge der Industrialisierung allerdings auch in vielen anderen großen Städten
abgespielt haben, so dass sich die Frage nach wirklichen Alternativen stellt.
Da der Verfasser ansprechend die Ausgangsposition für erfolgreiche politische
Arbeit einer bürgerlichen Partei in Wien in der Gegenwart für genauso schwierig
wie vor 90 Jahren hält, empfiehlt er – trotz vieler geänderter Umstände etwa in
Bezug auf christlich und sozial - Schlüsse aus den Fehlern und Versäumnissen
früherer Tage für die politische Arbeit der heutigen Zeit, ohne dadurch einen
angestrebten politischen Erfolg der Gewinnung von Macht über andere Menschen wirklich
sichern zu können.
Innsbruck Gerhard
Köbler