Bdeiwi, Sami, Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB). Reform und Gesetzgebung seit 1870 (= Juristische Zeitgeschichte Abteilung 3, Band 43). De Gruyter, Berlin 2014. XVIII, 314 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Dem Menschen ist zwecks Arterhaltung von der Natur die Sexualität als nur bedingt beherrschbarer Trieb vorgegeben, wobei sich aus der erfolgreichen Verbindung eines Mannes mit einer Frau zugleich die Verwandtschaft beider zu dem hieraus entstandenen Kind ergibt. Jedenfalls bei anderen Lebewesen dürfte eine neues Leben erzeugende Verbindung zwischen einem erzeugenden Teil und einem von ihm erzeugten Teil keine auffälligen Folgen nach sich ziehen, die im Übrigen in der überreichen Natur im Falle der Schädlichkeit auch wohl mit dem Untergang des erzeugten Lebewesens enden würden. In der kulturellen Umgebung des Menschen dürfte demgegenüber zu einer nicht bekannten Zeit eine psychosoziale Schranke entstanden sein, die Beischlaf unter Verwandten als ein besonderes Geschehen betrachtet.

 

Mit der jüngeren deutschen Geschichte dieser Problematik befasst sich die von Thomas Vormbaum während einer Tätigkeit am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und juristische Zeitgeschichte angeregte und betreute, im April 2012 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Fernuniversität Hagen angenommene Dissertation. Sie gliedert sich in drei Teile mit insgesamt neun Kapiteln: Dabei werden nach der sachlichen Grundlegung der Probleme und Methoden zunächst die deutschen Partikularrechte von der bambergischen und karolinischen Halsgerichtsordnung des frühen 16. Jahrhunderts bis 1871 unter besonderer Berücksichtigung Preußens, Bayerns und Sachsens behandelt und danach die Entwicklungen vom Reichsstrafgesetzbuch des Jahres 1871 bis zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2008.

 

Insgesamt kommt die sorgfältige Untersuchung zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Strafwürdigkeit des Inzests um konventionelle Moralvorstellungen der Gesellschaft handelt. Obwohl die Kritik an der Strafbarkeit des Inzesttatbestands nicht abreißt, ist zur Zeit aber davon auszugehen, dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und mittelbar die ihn bestätigende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 12. April 2012 etwaige gesetzgeberische Vorhaben bereits in den Anfängen zu hindern vermag, ohne dass sich auch bei einer grundsätzlichen Infragestellung des § 173 StGB die Zukunft sicher vorhersehen lässt. Im Anhang bietet die verdienstvolle Arbeit die Entwurfs- und Gesetzesfassungen zu den Inzesttatbeständen seit dem  Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten von 1794.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler