Baltl, Hermann/Kocher, Gernot unter Mitarbeit von Steppan, Markus, Österreichische Rechtsgeschichte - unter Einschluss sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Grundzüge. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, 12. Aufl. Leykam, Graz 2009. 344 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Hermann Baltl wurde in Graz am 2. Februar 1918 als Sohn eines Rechtsanwalts geboren, studierte ab 1936 in seiner Heimatstadt Rechtswissenschaft, wurde 1939 nach den damaligen Gepflogenheiten ohne schriftliche Doktorarbeit promoviert, wurde zum Kriegsdienst eingezogen, aus der nach 1938 eingeführten praktischen Ausbildung als Gerichtsreferendar des Deutschen Reiches Adolf Hitlers wegen politischer Äußerungen entlassen und ging in den Untergrund. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde er noch im Mai 1945 bei seiner Rückkehr an der Brücke über die Mur zur Lehrtätigkeit in österreichischer Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, Rechtsgeschichte und Völkerrecht an der Universität Graz eingeladen, am Ende des Jahres 1946 zwecks akademischer Rechtfertigung habilitiert sowie 1951 zum titulierten außerordentlichen und 1961 zum ordentlichen Universitätsprofessor ernannt. 1970 legte er als Frucht seiner fünfzehnjährigen Beschäftigung mit der Rechtsgeschichte (Verfassungsgeschichte und Verwaltungsgeschichte) sein Lehrbuch Österreichische Rechtsgeschichte vor.

 

Nach dem kurzen Vorwort hat dieses in 40 Jahren zwölfmal aufgelegte Werk seine eigene Note, die sich sehr stark an die von Baltl über mehr als zwei Jahrzehnte bis zur Studienreform 1978 angebotene Vorlesung über österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte anlehnt. Der nach Baltls Tod in Graz am 20. Oktober 2004 das erfolgreiche Lehrbuch fortsetzende Gernot Kocher hat selbst als Hörer den Werdegang vom Skriptum zur ersten gedruckten Auflage mitverfolgt und in späteren Jahren mit dem Ergebnis in Seminaren und Repetitorien gearbeitet und es so schätzen gelernt. Nach seiner Meinung gehörte Baltl noch zu jener Generation von Rechtshistorikern, deren Forschungen sich über die gesamte zeitliche und sachliche Breite des Faches erstreckten. Die vielleicht hieraus gewonnene Einsicht in die Unendlichkeit des Faches bildete die Brücke zum „Mut zur Lücke“ und zur bewussten Ungleichmäßigkeit der Darstellung, an denen der Nachfolger nichts ändern wollte.

 

Insgesamt ist die Darstellung in acht chronologische Abschnitte geteilt (vorgeschichtliche Zeit, römisches Österreich, Frühmittelalter, (Frühmittelalter entgegen der Logik bewusst nicht einschließendes) Mittelalter, Zeit des Absolutismus – bis 1740), aufgeklärter Absolutismus und Vormärz, von 1848 bis 1918 sowie von 1918 bis heute bzw. damals´). Sachlich wird meist in fünf bis 8 Untereinheiten geteilt (z. B. territoriale und politische Grundlagen, Landesfürst mit ständischer und sozialer Entwicklung, Behörden und Verwaltung, Kirche und Staat, Wirtschaftsverfassung, Rechtsquellen). Randnoten und ein umfangreiches Register der Sachen, Orte, Länder  und Personen haben Tausenden österreichischer Studierender in Graz und anderswo die Orientierung in der österreichischen Rechtsgeschichte erleichtert, auch wenn das durch die Mitteilung zahlreicher Fakten den Adressaten hilfreiche Werk nach dem Tode seines Verfassers durch neuere Ausbildungswerke vorwiegend Wiener Provenienz in einer wissensorientierten, partikularen Ausbildungslandschaft in den Hintergrund gedrängt zu werden scheint.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler