Auer, Marietta, Der privatrechtliche Diskurs der Moderne. Mohr (Siebeck), Tübingen 2013. X, 204 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Unterscheidung zwischen einem ius publicum und einem ius privatum wird bereits im römischen Recht angesprochen, doch kommt es zur systematischen Herausbildung eines besonderen öffentlichen Rechtes wohl erst seit dem 16. Jahrhundert. Nach der Verselbständigung von Lehrveranstaltungen über Staat, Verfahren und Strafe wird dann von dem übrigen Recht im 18. und 19. Jahrhundert als Privatrecht gesprochen, wobei das Wort selbst vielleicht erst 1721 belegt ist. Die vorliegende Abhandlung geht nach dem kurzen Vorwort der Verfasserin der Frage nach, wie sich erklären lässt, dass zwar die zunehmende Überlagerung des Privatrechts durch materiale Wertungen vielfach anerkannt wird, dass dies aber der Tragfähigkeit und theoretischen Konjunktur des normativ geschlossenen Privatrechtsmodells einer staatsfernen Privatrechtsgesellschaft anscheinend keinen Abbruch tut.

 

Die beeindruckend schmale Studie ist die von Claus-Wilhelm Canaris betreute, im Sommersemester 2012 der juristischen Fakultät der Universität München vorliegende Habilitationsschrift der 1972 geborenen Verfasserin, die nach dem Studium von Rechtswissenschaft und Philosophie in München und Harvard mit einer geringfügig umfangreicheren Dissertation über Materialisierung, Flexibilisierung, Richterfreiheit – Generalklauseln im Spiegel der Antinomien des Privatrechtsdenkens 2003 in München promoviert wurde. Unmittelbar nach ihrer Habilitation wurde sie 2013 als Professorin für bürgerliches Recht und Rechtsphilosophie nach Gießen berufen. Gegliedert ist die Untersuchung nach einer Einführung in zwei Teile.

 

Im ersten Teil wendet sich die Verfasserin Privatrecht zu und unterscheidet in diesem Zusammenhang die erste Moderne mit der Wende zum Subjekt durch Entdeckung der Person, Übergang von der Pflicht zum subjektiven Recht, Trennung von Staat und Gesellschaft sowie Integration des modernen Privatrechtssystems, die zweite Moderne I mit Dezentrierung des Subjekts, Dekonstruktion des subjektiven Rechtes und Einbruch des Öffentlichen in das Privatrecht sowie die zweite Moderne II mit Reflexivität als negativer Dialektik mit immanenter Selbstgefährdung und immanenter Gegenmoderne. Der zweite Teil konzentriert sich auf das Eigentum der Moderne mit Integration des modernen Eigentumsbegriffs und Dekonstruktion des Eigentums mit den Beispielen des Rechtes am Gewerbebetrieb und der Nassauskiesung. Im Ergebnis ihrer eigenständigen, spannenden, vielfältigen Überlegungen sieht die Verfasserin die Lösung des modernen Privatrechts darin, aus den Regeln für die freiheitliche Betätigung des Einzelnen eine autonome Sphäre für die Willensbetätigung des Einzelnen zu schaffen und sie, weil sie der individuellen Willensbestätigung dient, als allgemeine zu legitimieren, weshalb ihre Essenz des privatrechtlichen Diskurses der Moderne der Fortbestand des Autonomieprinzips bei gleichzeitigem Fortschreiten seiner Durchbrechung (bis an ein noch offenes Ennde?)  ist.

 

Innsbruck                                                                  GerhardKöbler