Adelsarchive
in der historischen Forschung, hg. v. Franke, Christoph (= Schriften des
Hessischen Staatsarchivs Marburg 26). Hessisches Staatsarchiv, Marburg 2014.
131 S., 19 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Adel übernahm von Kirche und König in der deutschen Geschichte die Schrift im Wesentlichen frühestens im Laufe des 13. Jahrhunderts. In der Folge fielen bei ihm aber auch unterschiedliche Geschäfte an, bei denen eine Verschriftlichung Vorteile bot. Aus diesem Grunde entstanden bei vielen Adelsfamilien Archive, die noch heute Bestand haben, aber angesichts der verfügbaren Mittel nicht wirklich berufsmäßig verwaltet und aufgeschlossen werden können, obwohl sie es inhaltlich wegen der Vielfalt des in ihnen enthaltenen Materials wert wären.
Mit der diesbezüglichen Fragestellung befasste sich nach der kurzen Einleitung des Herausgebers des schmalen Sammelbands eine von der Fachgruppe 4 – Haus-, Herrschafts- und Familienarchive – des Vereins deutscher Archivarinnen und Archivare, dem hessischen Staatsarchiv Marburg, dem Herder Institut und dem deutschen Adelsarchiv veranstaltete, mit großzügiger Unterstützung des Staatsarchivs Marburg durchgeführte, in der Veröffentlichung nicht konkret verortete Tagung, die Perspektiven der historischen Adelsforschung (jenseits des Mainstreams) aufzeigen sollte. Sie war in drei Sektionen gegliedert, von denen die ersten beiden Sektionen Adelsarchive und mit dem Thema Adel befasste Forschungseinrichtungen vorstellten, während die dritte Sektion Beispiele aus aktuellen Forschungen zur Adelsgeschichte bot.
In den insgesamt acht leider nicht durch ein Register aufgeschlossenen Studien behandelt der Herausgeber im Eingang allgemein die Adelsarchive im Kontext wandelnder Forschungsinteressen, während weitere Untersuchungen die Archivbestände und Forschungsmöglichkeiten in der Dokumentensammlung des Herder-Instituts Marburg, die Stiftung der Landgrafen von Hessen und das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt der Erschließung des Adelsarchivs Schenck zu Schweinsberg in Stand und Perspektiven darlegen. An Briefe aus Amerika und das Tagebuch des Georg Ernst von Gilsa (1740-1798) werden ein frühneuzeitlicher Kriminalprozess auf der Grundlage des Hausarchivs der Grafen von Wintzingerode, Betrachtungen zum sozialen Wandel ausgewählter bayerischer Adelsfamilien im 19. und 20. Jahrhundert und zu den Lebenswelten der Herrschaften und Bediensteten im 19. und 20. Jahrhundert als Forschungsthema angeschlossen, wobei sich grundsätzlich zeigte, dass sich der Adel insgesamt den gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen nicht entziehen konnte, so dass Grundeigentum, geschlossene Heiratskreise und Tätigkeiten in Militär, Verwaltung, Politik und Diplomatie für den Adel keine Regel mehr bilden. Gleichwohl lässt eine weitere Beschäftigung mit Grundfragen adeliger Lebenswelt ein verbessertes Gesamtbild des höfischen Lebens einerseits und zusätzliche Aufschlüsse über adeliges Leben und adelige Kultur andererseits erwarten.
Innsbruck Gerhard Köbler