Woschnak, Klaus, Treffpunkt Europa Mitte- Die Notariatsreform der Jahre1989 bis 1995 in Mitteleuropa aus österreichischer Sicht. Manz, Wien 2013. XIX, 338 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Der vorliegende Band gibt einen Überblick über die Metamorphose des Staatsnotariats in Mittel- und Osteuropa in das freiberufliche Notariat bzw. die Neubegründung des im 5. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts abgeschafften Notariats in den Nachfolgestaaten in der Zeit zwischen 1989 und 1995 mit einem Ausblick auf die weitere Entwicklung. Zu dieser Darstellung war Klaus Woschnak in besonderer Weise berufen, da er von 1992 bis 1995 Vizepräsident der Kommission für internationale notarielle Zusammenarbeit (CCNI), von 1996 bis 2010 Mitglied des ständigen Rats der internationalen Union des Notariats (UINL), von 2003 bis 2010 Präsident der Österreichischen Notariatskammer und 2007 Präsident des Rats der Notariate der Europäischen Union (CNUE) war. Wichtige Diskussionsforen waren und sind seit 1989 das Notaring Kollegium Mitteleuropa und der Europatag des Notariats in Salzburg, die beide 2013 zum 25. Mal stattfanden. Hilfe bei der Etablierung des freien Notariats leisteten auch die UINL und der Rat der Notariate der EU (CNUE). Woschnak bringt keine Gesamtdarstellung der Entwicklung, sondern beschreibt in über 30 Essays die Transformation des Notariats in „Mitteleuropa“, das vor allem Tschechien und die Slowakei (vorher Tschechoslowakei), Ungarn und die Nachfolgestaaten Jugoslawiens umfasst. Polen, die baltischen Staaten und das Gebiet der ehemaligen DDR sind in die Darstellung mit einbezogen (vgl. S. 32ff., 64ff. für Ostdeutschland, S. 115ff. für das Baltikum, S. 70ff., 77ff. für Polen). In zwei Abschnitten werden auch die Staaten Südosteuropas berücksichtigt (Rumänien, Albanien, Bulgarien, Makedonien, Bosnien, Montenegro, Kosovo und Serbien; S. 118ff., 148ff.).

Sehr hilfreich sind die Übersichten über die Entwicklung des Notariatsrechts in folgenden Staaten: S. 77 für Polen, das bis 1933 vier Notariatssysteme aufwies, S.80 für Ungarn, S. 101 für die Tschechoslowakei, S. 138 für Slowenien, S. 140 für Kroatien und S. 152, 170 für Südosteuropa. Der Beitrag „Prinzip Lateinisches Notariat“ (Rechtsschule von Bologna – Napoleon – civil-law-notaries; S. 26ff.) behandelt das lateinische Notariat, das in Oberitalien entstanden ist und dessen Prototyp im 19. Jahrhundert das französisch-napoleonische Notariat wurde. Zurzeit bestehen die lateinischen Notariate u. a. in 37 europäischen und 21 lateinamerikanischen Staaten. Das Anwaltsnotariat bildet nach Woschnak keinen „eigenständig definierten Rechtsberuf“, sondern dieser Ausdruck bezeichnet einen Juristen, der zwei Rechtsberufe ausübe, „nämlich zunächst jenen des Rechtsanwalts und nach Erlangung einer weiteren Qualifikation auf Grund gesonderter Ernennung durch das hierfür zuständige Staatsorgan auch jenen des Notars“ (S. 31). Woschnak weist darauf hin, dass sich das europäische Notariat in „zwei Strängen“ entwickelt habe, in einem west- und südwesteuropäischen Strang und in einem cisleithanisch pragmatisch geprägten Strang, nach dem die Notariate als Gerichtskommissariate in die freiwillige Gerichtsbarkeit (Außerstreitsachen) eingebunden sind (S. 153 f.). Vom lateinischen Notariat ist das englische und walisische Notariat zu unterscheiden (S. 112). Woschnak geht in diesem Zusammenhang auch auf die Konkurrenz der kontinentaleuropäischen und der angloamerikanischen Rechtskultur in den mittel- und osteuropäischen Reformstaaten ein (S. 108ff.). Weitere Themen des Bandes sind: Die Regulierung kontra Gemeinwohlaufgaben (S. 44ff.), Officium Nobile und Wertewandel (S. 50ff.), Grundbuch und Handelsregister (S. 129ff.), Privileg der Verantwortung (S. 133ff.), Stärkung der Bildungsarbeit (S. 143ff.) sowie die Gefahren der Ökonomisierung der Gesellschaft für das Notariat (S. 152ff.). Auch die europarechtlichen Perspektiven werden insbesondere im Hinblick auf die Urteile des EuGH von 2011 angesprochen (S. 169ff.).

 

S. 169 ff. bringt Woschnak eine Zusammenfassung der Notariatsreform zwischen 1989 und 1995 in „Mitteleuropa“, die auch in einer polnischen, ungarischen, tschechischen, slowakischen, kroatischen und slowenischen Übersetzung wiedergegeben wird (S. 190-272). Es folgen ein Bilderteil und die Wiedergabe wichtiger Dokumente insbesondere aus der Zeit von 1989 bis 1996 (S. 297ff.). Der Band wird abgeschlossen mit einem Namens- und einem aussagekräftigen Sachverzeichnis. Insgesamt vermittelt das Werk Woschnaks eine informative Zusammenschau der Transformation des Notarrechts in den mittel- und osteuropäischen Reformstaaten, für deren Notariatsrechtsgeschichte weitere, stärker systematisch angelegte Darstellungen wünschenswert wären.

 

Kiel

Werner Schubert