Willoweit, Dietmar, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands, 7. Aufl. Beck, München 2013. XXXV, 511 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der moderne Verfassungsbegriff als der Gedanke eines allen politischen Verhältnissen zugrunde liegenden Staatsgrundgesetzes, so beginnt der Verfasser des erfolgreichen Lehrbuches seine Darstellung, ist aus verschiedenartigen Wurzeln im Laufe der frühen Neuzeit entstanden und hat im Zeitalter der Aufklärung seine endgültige Gestalt gewonnen. Die vorliegende Darstellung der deutschen Verfassungsgeschichte beschränkt sich aber bewusst nicht auf eine Schilderung des modernen Verfassungswesens, weil sie übergreifende geschichtliche Vorgänge verstehen und verständlich machen will. Im Gegensatz zum historisch interessierten Juristen sieht der Rechtshistoriker zu Recht das geschichtliche Denken als eine eigene Form menschlichen Erkenntnisvermögens mit der Notwendigkeit des Versuchs der Distanz gegenüber allen Zeitaltern an.

 

In diesem Sinne hat bereits die erste, 1990 im Umfang von XXIX und 369 Seiten erschienene Auflage Verfassungsgeschichte als Geschichte der rechtlichen Regeln und Strukturen verstanden, die das Gemeinwesen und damit die politische Ordnung prägen. Dementsprechend beginnt aus der ansprechenden Sicht des Verfassers deutsche Verfassungsgeschichte im fränkischen Reich, mit dem die Spätantike ausklingt. Dem vom Personenverband zur Reichsorganisation führenden ersten Teil folgen wie bisher drei weitere Teile über Reichsordnung und Staatsbildung (1254-1806), (ab S. 227) monarchischen Verfassungsstaat (1806-1918) und die Zeit zwischen Demokratie und Diktatur (Weimarer Republik, nationalsozialistischer Führerstaat, Teilung Deutschlands und Entstehung der Nachfolgestaaten, Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik) bis zur die Diktatur nicht mehr als Ende einstufenden deutschen Einheit über Wirtschaftsunion und Währungsunion, Zwei-Plus-Vier-Vertrag, Einigungsvertrag und Rechtsproblemen des Beitritts.

 

Die siebte, von der bayerischen Akademie der Wissenschaften finanziell unterstützte, das jederzeit Erweiterungen und Vertiefungen vertragende Werk auf insgesamt fast 550 Seiten vermehrende Kurz-Lehrbuch konnte vor allem die Verfassungsgeschichte des 19. Jahrhunderts mit längeren Abschnitten über die Judenemanzipation, über das Verhältnis von Staat und Kirche, über den österreichischen „Neoabsolutismus“ in der Spätzeit des Deutschen Bundes und über die Parteigründungen im Kaiserreich bereichern. Außerdem konnten die umfangreichen Literaturhinweise vor den einzelnen Paragraphen aktualisiert, thematisch gegliedert und chronologisch geordnet und zwecks Erleichterung der Registrierung Randziffern eingefügt werden. Möge all dies neben dem beibehaltenen wichtigen Kernbestand dem uneingeschränkt angenommenen Standardwerk zahlreiche weitere Leser gewinnen, welche die Verfassungsgeschichte als grundlegenden Teil der gesamten Rechtsgeschichte verstehen und nutzen wollen.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler