Wihoda, Martin, Die sizilischen Goldenen Bullen von 1212. Kaiser Friedrichs II. Privilegien für die Přemysliden im Erinnerungsdiskurs. Böhlau, Wien 2012. 330 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In Basel ließ am 26. September 1212 der sizilische König und erwählte Kaiser Friedrich II. drei Privilegien für seine böhmischen Verbündeten ausstellen. Nach dem Vorwort des Verfassers der vorliegenden Untersuchung bildet die nach dem anhängenden goldenen Siegel des Ausstellers als sizilische Goldene Bulle einen festen Pfeiler des tschechischen Nationalbewusstsein und der tschechischen Staatlichkeit. Im Gegensatz hierzu übergingen die přemyslidischen Könige im 13. Jahrhundert die Urkunde mit Schweigen und ließ erst König Karl IV. im Jahre 1348 eine feierliche Bestätigung der nach 1627 beinahe völlig in Vergessenheit geratenen Urkunde mit erläuterndem Kommentar anfertigen.

 

Den 1967 in Oppau geborenen, 1999 promovierten und seit 2010 in Brünn als Professor tätigen Verfasser machte in den frühen 1990er Jahren der Würzburger Mediävist Peter Herde auf diesen Widerspruch aufmerksam, woraufhin Martin Wihoda eine kurze Studie über die ebenfalls mit dem sizilischen goldenen Königssiegel beglaubigte Urkunde Friedrichs II. verfasste, mit der Friedrich II. dem Markgrafen das Gut Mocran et Mocran verlieh. Dessenungeachtet  ließ ihn das Thema der drei Baseler Urkunden Friedrichs II. nicht mehr los, so dass er sich im Sommer 2004 zu einer umfassenden Bearbeitung entschloss, als deren Ergebnis er  2005 in tschechischer Sprache das Buch Die sizilische Goldene Bulle - Ein bemerkenswertes Ereignis in den Schichten der Erinnerung veröffentlichte. Dessen Inhalt legt er nunmehr in einer erheblichen überarbeiteten und erweiterten deutschen Fassung vor.

 

Gegliedert ist es nach einer Einleitung über das gespaltene Reich in sechs Kapitel über Basel, 26. September 1212 als Stätte der Erinnerung, die Erinnerung der Urkunde, die Erinnerung in der Urkunde, das nahezu legendäre Rätsel Mocran et Mocran, die Urkunde in der Erinnerung und Bedeutung und Bewertung. Im Ergebnis kann der Verfasser nach gründlicher Befassung mit seinem Sachgegenstand aufzeigen, dass die Privilegien des Jahres 1212 dem privilegium minus, der Gelnhäuser Urkunde und dem großen Privileg für die Stadt Köln gleichen, welche die Umwandlung des universal aufgefassten Imperiums der ersten Staufer in einen freien Verband von Reichsfürsten bezeugen und dass erst gegen Ende des 19. Jahrhundert eine Verbindung zum nationalen tschechischen Gedächtnis hinzukam. In dem stellenweise unklaren Wortlaut der im Anhang abgedruckten Privilegien erkennt er ansprechend verspätete und erfolglose Bemühungen der přemyslidischen Herzöge und Könige, sich nach dem Vorbild Polens und Ungarns vom deutschen Reich zu lösen.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler