Wiegeshoff, Andrea, „Wir müssen alle etwas umlernen“. Zur Internationalisierung des Auswärtigen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland 1945/51-1969. Wallstein, Göttingen 2013. 477 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler des Deutschen Reiches ernannt wurde, fand er als Außenminister den seit 1901 dem auswärtigen Dienst angehörigen parteilosen Konstantin Freiherrn von Neurath vor, der bis zum 4. Februar 1938 als Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (30. Januar 1937) diese Funktion wahrnahm, bis er unter Verbleiben in der Regierung als Reichsminister ohne Geschäftsbereich im Zuge der Blomberg-Fritsch-Krise durch den bis zum 30. April 1945 amtierenden, nach Verurteilung vom 1. Oktober 1946 in Nürnberg am 16. Oktober 1946 hingerichteten Joachim von Ribbentrop abgelöst wurde, dem nach dem kurzen Zwischenspiel Johann Ludwig Graf Schwerins von Krosigk (2. 5. -23. 5. 1945) am 15. März 1951 Konrad Adenauer folgte. Wie von Neurath mussten sich auch die übernommenen Angehörigen des Auswärtigen Amtes grundsätzlich mit der neuen Politik arrangieren. Wem dies gelang, der stand mit dem Tode Adolf Hitlers und dem Ende des nationalsozialistischen Reiches im Mai 1945 vor großen Schwierigkeiten.

 

Mit ihnen befasst sich die 2011 an der Universität Marburg angenommene Dissertation der Verfasserin, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin der unabhängigen Historikerkommission zur Geschichte des Auswärtigen Amtes an dem Band über das Amt und die Vergangenheit mitwirkte. Für ihre eigene Untersuchung verwendete sie vor allem die Lebensläufe dreißiger Diplomaten, die von der Neugründung des Amts im Jahre 1951 bis 1969 als Staatssekretäre oder Botschafter wirkten. Dabei kann sie deutlich zeigen, dass Angehörige des Auswärtigen Amtes in den Jahren zwischen 1933 und 1945 auch in dem untersuchten Zeitabschnitt eine wesentliche Rolle spielten.

 

Nahezu zwei Drittel der herausgehobenen Stellen des Auswärtigen Amtes wurden zwischen 1949 und 1955 vor Diplomaten aus der Zeit vor 1945 eingenommen, wobei mehr als ein Drittel der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und nicht wenige der Schutzstaffel angehört hatten. Diese Wiederverwendung war ausdrücklich gewollt, wobei aber nach den ansprechenden Erkenntnissen der Verfasserin die nationalsozialistische Vergangenheit das spätere Handeln nicht mehr wesentlich prägte. Allgemein erfolgte auf der Grundlage der diplomatischen Schulung eine weitgehende Anpassung an die neuen Bedingungen der Demokratisierung auf der Seite des Westens, wobei freilich - wie oft - Überzeugung ebenso möglich war wie Opportunismus.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler