Walter Ulbricht, hg. v. Krenz, Egon. Eulenspiegel Verlag, Berlin 2013. 608 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Schneiderssohn Walter Ernst Paul Ulbricht wurde in Leipzig am 30. Juni 1893 geboren und entwickelte sich in Zusammenhang mit seiner frühen Tätigkeit in der sozialistischen Arbeiterbewegung schon seit seiner Lehre als Möbeltischler allmählich zum berufsmäßigen Revolutionär, der vermutlich 1920 der Kommunistischen Partei Deutschlands beitrat und 1929 die politische Leitung des Bezirks Berlin-Brandenburg-Lausitz-Grenzmark übernahm. Nach dem Verbot seiner Partei, für die er 1928 in den Reichstag eingezogen war, im Deutschen Reich wich er über Paris und Prag 1938 nach Moskau aus, kehrte aber nach dem Sieg der Alliierten über die Achsenmächte als Leiter der „Gruppe Ulbricht“ nach Berlin zurück und wirkte in enger Zusammenarbeit mit der sowjetischen Besatzungsmacht am Aufbau antifaschistischer, prokommunistischer und scheindemokratischer Strukturen in der sowjetischen Besatzungszone mit. An der Spitze des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands war er von 1949 bis zu seiner Entmachtung im Jahre 1971 der mächtigste Politiker der Deutschen Demokratischen Republik, der den Aufbau des Sozialismus vorantrieb und zur Verhinderung der massenhaften Republikflucht den Bau der Mauer in Berlin durchführen ließ.

 

Egon Krenz wurde ebenfalls als Schneiderssohn geboren, aber erst am 19. März 1937 in Kolberg. 1953 Mitglied der Freien Deutschen Jugend und 1955 Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands war er nach einem Studium in Moskau im Zeitpunkt der Entmachtung Walter Ulbrichts Sekretär des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend. Ab 17. Oktober 1989 war er während siebener Wochen als Nachfolger Erich Honeckers Generalsekretär der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzender des Staatsrats der Deutschen Demokratischen Republik, wurde aber nach der von ihm in die Politik der Deutschen Demokratischen Republik Deutschlands eingeführten „Wende“ wegen Totschlags (aus seiner Sicht zu Unrecht durch Siegerjustiz) zu sechseinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

 

Der von Egon Krenz vorgelegte und eingeleitete Sammelband zu Walter Ulbricht vereint 70 Beiträge von Anhängern. In ihnen werden Walter Ulbricht und sein Wirken im Wesentlichen unkritisch verteidigt, so dass der wissenschaftliche Ertrag gering ist. Dessenungeachtet ist der Band ein interessantes Dokument für das Fortleben einer von den Wählern im ersten Augenblick wahrer Entscheidungsfreiheit abgelehnten Politik in der Gedankenwelt der damit von der Macht verwiesenen Funktionäre in einer geistigen Umgebung, in der die Äußerung nahezu jeden Gedankens frei und erlaubt ist.

 

Innsbruck                                                                                           Gerhard Köbler