Vorstellungswelten der mittelalterlichen Überlieferung.
Zeitgenössische Wahrnehmungen und ihre moderne Interpretation, hg. v. Sarnowsky,
Jürgen (= Nova Mediaevalia 11). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012.
241 S., 29 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Hans-Werner Goetz, Professor für mittelalterliche
Geschichte in Hamburg, konnte am 16. Juli 2012 seinen 65. Geburtstag feiern. Zu
seinen Forschungsschwerpunkten zählen im Rahmen der Geschichte des frühen und
hohen Mittelalters vor allem Vorstellungen und Mentalitäten in
Begriffsgeschichte und mittelalterlicher Wahrnehmung. Demgemäß bot sich ein
Sammelband zu seinen Ehren mit der Verknüpfung von Vorstellungswelt und Mittelalter
gewissermaßen von selbst an.
Erstmals literarisch hervorgetreten war der Jubilar nach
dem Studium von Geschichte und Anglistik in Bochum mit seinen gewichtigen
begriff- und verfassungsgeschichtlichen Untersuchungen zur Entstehung des
sogenannten „jüngeren“ Stammesherzogtums an der Wende vom neunten zum zehnten
Jahrhundert, die er 1976 als Dissertation vorgelegt hatte. Die historische
Vorstellungswelt am Beispiel des Geschichtsbilds Ottos von Freising hatte er in
seiner Bochumer Habilitationsschrift des Jahres 1981 vorbildlich erkundet.
Seitdem hat er Geschichtsschreibung, Vorstellungen, Wahrnehmungen und Deutung
im Mittelalter an vielen Stellen erforscht.
Das vorliegende Sammelwerk vereint nach einer kurzen
sachkundigen Einleitung des 1984 in Berlin mit einer Dissertation über die
aristotelisch-scholastische Theorie der Bewegung promovierten Herausgebers
insgesamt neun Studien. Sie reichen von der Darstellung der Welt im
katalanischen Weltatlas von 1375 bis zum Islambild Arnolds von Harff und binden
Karl den Kühnen, Richard III., den Deutschen Orden, Heinrich von Lettland,
Richard I. Löwenherz, die Chronik von Morea und Guilleaume Caoursin ansprechend
in einen bunten, im aufschließenden Register von Acciaioli bis Zypern
reichenden Geburtstagsstrauß ein. Möge die damit verwobene exemplarische
Herausarbeitung mittelalterlicher Vorstellungen ebenso die noch anstehenden
Projekte des Geehrten beflügeln wie die Hinterfragung der modernen Wahrnehmung
mittelalterlicher Geschichte mittels zeitgenössischer Quellen.
Innsbruck Gerhard Köbler