Urkundenbuch der Stadt Zwickau, bearb. v. Kunze, Jens/Stadtführer, Henning. Zweiter Teil Das älteste Stadtbuch 1375-1481, bearb. v. Kunze, Jens (= Codex diplomaticus Saxoniae 2 Die Urkunden der Städte und geistlichen Institutionen in Sachsen 20). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2012. XXVI, 503 S., Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Durch das DFG-Projekt „Index Librorum Civitatum“ ist die Erschließung mittelalterlicher Stadtbücher gerade aus Mitteldeutschland in das Bewusstsein der Historiker und auch der Rechtshistoriker gerückt worden. Waren es in der Vergangenheit einzelne Forscher, die diese Quellen bearbeiteten, so ist jetzt der Versuch unternommen, diese Quellen systematisch zu sammeln und dann zu edieren. Stadtbücher erlauben einen der tiefsten Einblicke in die Praxis des Lebens einer mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadt.

 

Es ist zu begrüßen, dass nun auch für die Stadt Zwickau, die seit ihrer Entstehung im 12. Jahrhundert zu den bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich starken Städten Sachsens gehört, das älteste Stadtbuch aus dem Ende des 14. Jahrhunderts ediert wurde. Die Edition ist als Teil 2 des Urkundenbuchs der Stadt Zwickau bezeichnet. Als Teil 1 wird wohl noch im Frühsommer 2014 der Urkundenteil erscheinen, den Henning Steinführer verantwortet. So erscheint es gewährleistet, dass der vorliegende Band kein Torso eines Forschungsprojektes bleibt.

 

Die mehr als einhundertjährige Geschichte der Edition eines Zwickauer Urkundenbuches konnte hinsichtlich eines Teiles zu Ende gebracht werden. Die für derartige Werke kurzgefasste Einleitung umfasst 7 Seiten. Eine hilfreiche Ergänzung enthält Henning Steinführers Beitrag im Neuen Archiv für sächsische Geschichte (2005), der im Literaturverzeichnis nachgewiesen ist. Dem Überblick zu der Stadtbuchüberlieferung in Zwickau folgt die sorgfältige kodikologische Beschreibung des Zwickauer Stadtbuches. Die Abbildungen 1-8 im Anhang zeigen die Wasserzeichen der Papierhandschrift. Leider fehlt den Abbildungen die Angabe eines Maßstabes zum Vergleich mit dem Original. Statt der pauschalen Verweisung auf Piccards Wasserzeichensammlung wäre ein Zuschreibungsversuch zu Ort und Zeit der Herstellung des Papiers benutzerfreundlich gewesen. Dem Herausgeber gelingt es, die Schreiber des Stadtbuches namentlich festzustellen. Erfreulich ist es, dass der Herausgeber dabei schon auf den Band I des Zwickauer Urkundenbuches verweist. Auf den letzten Seiten geht der Herausgeber auf den Inhalt des Stadtbuches ein. Nach den Editionsrichtlinien, Angaben zu der Einrichtung der Edition und dem Abkürzungsverzeichnis folgt auf sechs Seiten das Verzeichnis der Quellen und der Literatur. Wenn eine alphabetische Titelreihung vorgesehen gewesen wäre, hätte diese mit Basedow, A(rmin) beginnen müssen. Mitschke hätte wohl nach Metzler folgen müssen und der Doppeleintrag zu Mothes wäre zu vermeiden gewesen. Der Beitrag Claudia Sobottas zu Martin Römer ist bislang noch nicht bibliographisch nachweisbar; vielleicht nimmt Cygnea ihn einmal in sein Programm auf.

 

Die Edition umfasst 1085 Einträge, die in dem Band eingetragen sind, und weitere zehn Einträge, die auf lose beiliegenden Notizzetteln überliefert sind. Zu vielen der Einträge sind textkritische Anmerkungen gemacht, die sich besonders auf Streichungen im Original beziehen. Sachanmerkungen, die in den Angaben zur Einrichtung des Textes angekündigt sind, fehlen bis auf wenige Beispiele. Bei Nr. 653 ist ort durch ein Virtel erläutert, womit nicht viel zur Erklärung beigetragen ist. Viaticus <Nr. 641> wird als Messbuch mit Hymnen beschrieben; Diefenbach, Glossarium Latino-Germanicum, 1857, S. 617, übersetzt das Wort wohl treffender als Reisebrevier. Derartige Probleme haben es wohl dem Editor geraten sein lassen, seine Bemühungen auf seltene Ausnahmen zu beschränken. Die Einleitungs- und Schlussformeln der Einträge sind meist lateinisch, der übrige Inhalt ist deutsch. Da die Einträge nicht chronologisch angeordnet sind, wäre eine Tabelle benutzerfreundlich gewesen, welche die chronologische Folge darstellen sollte, doch fehlt sie leider. Dadurch wird die Nutzung der Edition für wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit bestimmten Zeiträumen befassen, erschwert; ein Bearbeiter muss die zeitliche Reihenfolge selber erarbeiten. Gerade zu städtischen Ereignissen wie dem Blutgericht von 1407 wäre ein solches Hilfsmittel hilfreich.

 

Dem Editionsteil folgt ein Index (Personen – Orte – ausgewählte Sachen) (S. 459–492). Die Ansetzung der Namensformen im Personenregister ist wohl zufällig, oder warum fehlt bei Stuchsing die Namensform Steussing? Beim Eintrag Nr. 700 zeigt der Text buchzenmeister, das Register nennt Buchsenmeister. Unklar ist, welche Sachbegriffe der Herausgeber als ausgewählte Sachen bezeichnet. Soweit erkennbar, sind nur die Bezeichnungen Kohlegrube und Kupfererz für bedeutsam genug befunden worden, um als ausgewählte Sachen notiert zu werden. Zu Nr. 32 ist das Wort Jude aufgenommen worden, aber warum fasnacht nicht auch der Aufnahme gewürdigt wurde, bleibt ein Geheimnis des Editors. Die Titelzeilen der Einträge sind wenig aussagekräftig. Der Editor hätte sich bei den Titelzeilen die neueren Ausgaben Magdeburger Schöffensprüche zum Vorbild nehmen sollen. Gerade die fehlende Erschließung des sachlichen Inhalts der Einträge mindert erheblich den Wert der Edition. Die zahlreichen Bezeichnungen verwandter Münzen (rheinische Gulden, ungerische Gulden <Nr. 464, 700>, bemische Groschen <Nr. 578>, Meißner Groschen <Nr. 579> und Freiberger Münzen <Nr. 576, 596>) zeigen die Bedeutung Zwickaus im Wirtschaftsleben. Wenn man das Werk fortlaufend liest, gibt der Inhalt der Einträge ein lebendiges Bild vom täglichen Leben einer mittelalterlichen Stadt. Die meisten Einträge haben Bezug auf Geldgeschäfte und Vergaben, die in einem weiten Sinne mit dem Seelenheil zu tun haben. Stiftungen von und für Altäre <Nr. 457, 587, 597, 691>) sind zahlreich. Aufmerksamkeit verdient der Auftrag zur Anfertigung eines Altars in Plauen (tafell mit pilden <Nr. 212>). Die in der Rechtsarchäologie bekannte Funktion von Kerzen im Rechtsleben wird durch Beispiele illustriert <Nr. 227, 408, 578, 599, 600>, wobei gerade die elenden Kerzen bemerkenswert sind. Die ausführliche Inventur anlässlich eines Vergleiches um Erbgut <Nr. 259> zeigt die wesentlichen Gegenstände, die einen guten Haushalt ausmachten. Für die Forschung zur Stellung der Frauen im täglichen Leben des Mittelalters enthalten die Einträge zahlreiche Beispiele, insbesondere ist zu beachten, dass Frauen über ihr Gut frei verfügen konnten <Nr. 264, 274> und selbst Töchter, deeren Alter freilich nicht erkennbar ist, machten dabei keine Ausnahme <Nr. 310>. Zahlreich sind die Hinweise auf das Zwickauer Stadtrecht <Nr. 263, 907>; leider muss auch hierbei der Benutzer selbst erst alle einschlägigen Angaben ermitteln, um dann die Bezüge herauszuarbeiten. Der dokumentierte Verkauf einer Badstube <Nr. 345> belegt zum einen, dass es auch in Zwickau eine derartige Einrichtung gab, und zum anderen lässt der gezahlte Preis die Bedeutung erkennen. Die Bedeutung des Stadtbuches für das Leben in der Stadt zeigt der Umgang mit Abwasser <Nr. 188> ebenso wie die Aufnahme der Schulordnung <Nr. 496> in den Text. Geschichtlich bedeutsame Ereignisse finden ihren Niederschlag, wie Überschwemmungen der Zwickauer Mulde in den Jahren 1432 und 1433 <Nr. 723> und die Schlacht bei Aussig am 16. Juni 1426 gegen die Hussiten <Nr. 606, 676>, die mit einem Sieg der Hussiten endete. Die Funktion der Stadt als Garant des friedlichen Zusammenlebens der Bevölkerung wird deutlich in der Beurkundung einer Setzung eines Bürgen für das friedliche Verhalten des Schernsmits und seiner Frau <Nr. 586>.

 

Den Schluss bilden nach den Abbildungen der Wasserzeichen Abbildungen von Textseiten (S. 498-503), denen aber die Größenhinweise ebenfalls fehlen.

 

Urkundenbücher einer Stadt werden üblicherweise nur einmal erarbeitet. Sie sollen ihrer Bestimmung nach den späteren Forschern in weiten Bereichen die Einsicht in die Originalurkunden ersparen. Aus diesem Grunde werden an die Bearbeiter hinsichtlich der zu erwartenden Sorgfalt hohe Ansprüche gestellt. Begegnet dem Leser bereits in der ersten Fußnote das Wort „Tittel“ so ist er für die weitere Lektüre gewarnt. Die Vielzahl der Schreibfehler, die eine Flüchtigkeit des Editors vermuten lassen, soll hier nicht einzeln aufgeführt werden. Selbst bei Berücksichtigung der schwer lesbaren Schrift des Originals wäre bei einem derartigen Jahrhundert-Werk eine größere Sorgfalt angebracht gewesen. Leider ist dadurch das Vertrauen in die Genauigkeit der Textübertragung beeinträchtigt. Der Editor steht wahrscheinlich unter einer engen Zeitvorgabe des Herausgebers, dennoch mag der Herausgeber überdenken, ob eine zu schnelle Vorlage neuer Bände nicht dem Gesamtwerk und seiner Reputation stärker schadet als eine sorgfältige fehlerarme Erscheinungsweise.

 

Neu-Ulm                                                                                                          Ulrich-Dieter Oppitz