Totseva, Miroslava, Grundlagen der Arbeitsvertragstheorie im 19. Jahrhundert in Deutschland und England. Eine vergleichende Ideengeschichte (= Rechtsgeschichtliche Studien 61). Kovač, Hamburg 2013. 549 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Arbeit, die sich als Wort bereits für das Germanische rekonstruieren lässt, ist die auf Schaffung von Werten gerichtete menschliche Tätigkeit, die in den Anfängen vor allem mit der dafür erforderlichen Mühe verbunden wird. Sie erfolgt in erster Linie im eigenen Interesse und erst allmählich gegen Entgelt für andere. Dementsprechend ist trotz bereits im Mittelalter vorhandener, vor allem städtischer Arbeitsverhältnisse zwischen Meistern und Gesellen das Wort Arbeitsvertrag anscheinend erst im Jahre 1793 bezeugt.

 

Ziemlich genau mit diesem Zeitpunkt setzt die vorliegende, aus einer ursprünglich rechtsvergleichenden Untersuchung des deutschen und englischen Streikrechts im 20. Jahrhundert in längeren Jahren erwachsene, von Mathias Schmoeckel betreute, von der Konrad-Adenauer-Stiftung geförderte, am 26. 11. 2012 von der juristischen Fakultät der Universität Bonn angenommene, vor allem auf ökonomietheoretische Literatur gestützte, aber auch Coing, Dütz, Gierke, Hueck/Nipperdey, Lotmar, Picker, Ramm, Richardi, Rückert, Schmoeckel, Sinzheimer oder Söllner (wenn auch nicht immer mit Nennung der jeweiligen Auflagennummer) berücksichtigende Dissertation der Verfasserin ein, welche die Geschichte der Arbeitsvertragstheorie ab 1776 (bis zur Prägung des Begriffs Arbeitsvertrag und der Entstehung des Arbeitsrechts in Deutschland?) darstellen will. Sie gliedert sich übersichtlich in drei Teile. Nach einer Einleitung über Gegenstand, Fragestellung, Methode (der vergleichenden Ideengeschichte) und These verfolgt die Verfasserin die Entwicklung der Theorien in Bezug auf den Arbeitsvertrag in der klassischen Nationalökonomie und in Deutschland.

 

Sie behandelt dabei nacheinander Adam Smith, den Sozialismus (William Godwin, Robert Owen), Thomas Robert Malthus, David Ricardo, John Ramsay McCulloch, Robert Torrens, John Stuart Mill einerseits und Friedrich List, Wilhelm Georg Friedrich Roscher, Karl von Rodbertus-Jagetzow, Ferdinand Lassalle, Bruno Hildebrand, Karl Knies, Gustav Schmoller, Gustav Schönberg, Adolph Wagner und Lujo Brentano andererseits. Im Ergebnis stellt sie im Vergleich zum klassischen Liberalismus eine neue, in der bewussten Abkehr von den Prinzipien der individuellen Freiheit und Gleichheit in den Auffassungen über die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags bestehende deutsche Ansicht fest. Auf ihrer Grundlage konnte Lujo Brentano die Notwendigkeit des Ausschlusses des Wettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt mit dem daraus folgenden Vorrang des kollektiven Arbeitsvertrags vor dem individuellen Arbeitsvertrag begründen.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler