Tiefenbach, Heinrich, Altsächsisches Handwörterbuch. De Gruyter, Berlin 2010. LV, 599 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Heinrich Tiefenbach wurde 1944 geboren, 1973 mit Studien zu Wörtern volkssprachiger Herkunft in karolingischen Königsurkunden promoviert, 1983 mit Untersuchungen zur Nordgrenze des Althochdeutschen an niederrheinischen Personennamen des neunten bis elften Jahrhunderts (in Xanten, Essen und Köln) bei Rudolf Schützeichel in Münster habilitiert und später nach Regensburg berufen. Zu seinen sieben Monographien gehören noch althochdeutsche Aratorglossen der Handschriften Paris lat. 8318, Gotha Membr. II 115 (1977), eine dritte nachtragende und berichtigende Auflage Johan Hendrik Gallées altsächsischer Grammatik (1993), ein lateinisch-deutscher Index zum Florianer Psalter (2000), gesammelte Schriften zu altsächsischen und althochdeutschen Namen (von Mimigernaford nach Reganespurg), hg. v. Greule, A./Riecke, J., und das vorliegende altsächsische Handwörterbuch (a concise old Saxon Dictionary) der altsächsischen Denkmäler von den Anfängen im 9. Jahrhundert bis zum Ende des 12. Jahrhunderts unter Berücksichtigung lateinischer Urkunden bis 1100.

 

Nach dem Rückentext ist der Wortschatz aus den Anfängen der niederdeutschen Sprache, der Periode des Altsächsischen, bisher nicht in einem modernen Lexikon erfasst, so dass ihn das vorliegende Wörterbuch (erstmalig?) vollständig, grammatisch erschlossen, mit Stellennachweisen und mit Bedeutungsangaben in deutscher und englischer Sprache bietet. Die handschriftlichen Quellen sind mit Bibliotheksort und Editionen nachgewiesen. Ein rückläufig geordnetes Stichwörterverzeichnis und ein Index der lateinischen Vorlagewörter runden das Werk ab.

 

Dass der Verfasser in seinen bibliographischen Hinweisen keine Vollständigkeit anstrebt, sondern nur Werke anführt, die nach seinen Angaben für die Ausarbeitung des vorliegenden Wörterbuchs besonders wichtig waren und die weitere Auskünfte liefern können, wird angesichts seiner bekannten Herkunft aus der Schule Rudolf Schützeichels naheliegem. Hätte er doch andernfalls selbst darauf hinweisen müssen, dass Edward Henry Sehrt 1966 ein vollständiges Wörterbuch zum Heliand und zur altsächsischen Genesis als den mit Abstand wichtigsten und umfangreichsten altsächsischen Sprachdenkmälern vorgelegt hat, das Tiefenbach in jeder Hinsicht ohne erkennbare Namensnennung auswerten konnte, und dass es seit dem Jahre 2000 in dritter Auflage im Internet ein grundsätzlich vollständiges altsächsisches Wörterbuch gibt (http://www.koeblergerhard.de/aswbhinw.html, dazu jetzt auch http://www.koeblergerhard.de/wikiling/ ), das bereits neuenglische Bedeutungsangaben, ein altsächsisches rückläufiges Wörterbuch, ein lateinisch-altsächsisches Wörterbuch und manches Andere mehr bietet, so dass Tiefenbach insofern nichts Neues generiert, sondern nur unter dem Schein von Originalität bereits Vorhandenes offensichtlich imitiert, was der Sache an sich nicht schadet, wenn es gut ist. Demgegenüber beschränkt sich die das Vorbild des Meisters auch in der halbherzigen Alphabetisierung der Lemmata fortführende Leistung des Verfassers wohl vor allem auf ein Nachtragen, Ergänzen und Berichtigen von relativen Kleinigkeiten, das trotz der an den Tag gelegten wissenschaftlichen Unaufrichtigkeit freilich auf beachtlichem verlegerischem Hintergrund bei stattlichem Preis auch als solches einen gewissen Wert hat, wenn es der Wirklichkeit entsprechend aus dem tiefen Bach heraus offengelegt wird.

 

Innsbruck                                                                                Gerhard Köbler