Thomale, Chris, Leistung als Freiheit. Erfüllungsautonomie im Bereicherungsrecht (= Studien zum Privatrecht 23). Mohr (Siebeck), Tübingen 2012. XXXVI, 467 S.

 

Wesentlicher Inhalt des gesamten Schuldrechts ist die Leistung, die der Schuldner nach Treu und Glauben an den Gläubiger zu erbringen hat. Mit der Bewirkung der Leistung hat er grundsätzlich seine Schuld getilgt und umgekehrt kann jemand, der eine Leistung ohne Schuld erbracht hat, diese wegen ungerechtfertigter Bereicherung herausverlangen. Von daher wird die Leistung seit langer Zeit in der Rechtswissenschaft erörtert und fragt sich insbesondere, ob Leistung im Rahmen der Erfüllung dieselbe Bedeutung hat wie Leistung als Voraussetzung eines Herausgabeanspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung.

 

Das sich mit dieser Problematik auseinandersetzende Werk ist die von Martin Schwab betreute, im Sommersemester 2012 von dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin angenommene Dissertation des Verfassers, der sich mit der Thematik seit 2005 befasst und die Aktualisierung für die Drucklegung bis Januar 2012 während seiner Vorbereitung einer Habilitationsschrift bei Marc-Philippe Weller vorgenommen hat. Gegliedert ist die mit einem Fakultätspreis ausgezeichnete Schrift in insgesamt fünf Abschnitte. Sie befassen sich mit der erfüllungsrechtlichen Tilgungsbestimmung, mit der normativen Tilgungsbestimmung aus Rechtsschein, mit der Parallelität von Erfüllungsleistung und Bereicherungsleistung, mit der Leistungskondiktion und mit bereicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnissen (Anweisung, berechtigender Vertrag zu Gunsten Dritter, Leistung auf eine abgetretene Forderung, Leistung an den Vollstreckungsgläubiger nach Pfändung und Überweisung, Drittleistungen nach § 267 BGB, Rechtserwerb durch Leistung eines Nichtberechtigten).

 

Im Ergebnis gelangt der Verfasser in Auseinandersetzung mit der bisherigen Literatur mit Hilfe hermeneutischer Auslegung unter Berücksichtigung rechtsvergleichender, rechtsgeschichtlicher, ökonomisch-analytischer und philosophischer Gesichtspunkte zu der Überzeugung, dass Leistung sowohl bei der Erfüllung wie auch bei Bereicherung eine Willenserklärung bedeutet, die als normativer Zurechnungsakt bestimmt wird, der auch dann zurechenbar ist, wenn der Erklärende sorgfaltswidrig bei dem Empfänger den Eindruck erweckt, er erkläre einen bestimmten Inhalt und der Empfänger dies nicht erkennen musste. Dementsprechend sieht er als möglichen Leistungszweck nur den Erfüllungszweck an, spricht den Bereicherungsansprüchen aus § 812 I 2 2. Alternative BGB und § 817 S. 1 einen eigenständigen Anwendungsbereich ab, lehnt einen Vorrang der Leistungskondiktion aus § 812 I 1 1. Alternative gegenüber der Nichtleistungskondiktion aus § 812 I 1 2. Alternative ab und will bereicherungsrechtliche Mehrpersonenverhältnisse allein mit Hilfe des rechtsgeschäftlichen Leistungsbegriffs lösen.

 

Seine vielfältigen neuen Erkenntnisse fasst er in einer kurzen Schlussbetrachtung  zusammen. Darüber hinaus gelingt ihm die Konzentration auf fünf Kernthesen. Ob er damit alle schuldrechtlichen Sachkenner überzeugen kann, muss die offene Zukunft erweisen.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler