Szymanski, Hanna, Theorie und Lebenswirklichkeit - Ehe und Eherechte im Spiegel sozialdemokratischer Forderungen zur Zeit der Zivilrechtskodifikation im deutschen Kaiserreich (= Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung 15). Böhlau, Köln 2013. 221 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Menschliche Vorstellung und tatsächliche Wirklichkeit können sich in sehr unterschiedlicher Weise gegenüberstehen. Gelegentlich können sie sich fast vollständig oder zumindest weitgehend decken. Ebenso ist es aber auch leicht möglich, dass die Vorstellung lange Zeit einer abweichenden Wirklichkeit vorausgeht, um schließlich in mehr oder weniger stark abweichender Form von ihr eingeholt und letztlich sogar vielleicht überholt zu werden.

 

Ein bedeutsames Beispiel hierfür sind die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich möglicherweise vor allem aus der Ersetzung der Muskelkraft des Menschen durch seine Maschinen und Techniken erfindende Geisteskraft und danach allmählich aus der Gleichstellung von Frauen mit Männern im allgemeinen Leben mehr oder weniger weltweit vor allem in den letzten beiden Jahrhunderten seit der französischen Revolution ergeben haben. Mit einem Teilaspekt dieser Entwicklung befasst sich die von Stephan Meder betreute, im Rahmen des seit 2001 bestehenden und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten  Projekts „Reformforderungen zum Familienrecht und zur Rechtstellung der Frau in der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik“ des Lehrgebiets Zivilrecht und Rechtsgeschichte der Universität Hannover entstandene und im Sommersemester 2012 „zur“ Dissertation angenommene Arbeit der Verfasserin. Sie gliedert sich außer in Einführung und Resümee in vier Abschnitte, in denen theoretische Grundlagen, die Entstehung der Entwürfe des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das Eherecht des Entwurfs und die Frage der Umsetzung der theoretischen Grundlagen behandelt werden.

 

Insgesamt weist die Verfasserin nachdrücklich darauf hin, dass vor allem die Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands im Rahmen der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein modernes Eheverständnis in die Diskussion einbrachten, obgleich darüber neben allgemeinen durchaus auch innerparteiliche Meinungsverschiedenheiten bestanden. Die in der Folge gestellten Anträge wurden damals zwar abgelehnt, setzten sich inhaltlich anschließend im Laufe eine Jahrhunderts aber weitgehend durch. Auf dieser sorgfältig erarbeiteten Grundlage kann die Verfasserin am Ende auch noch die Frage nach dem schwierigen Eheverständnis der Gegenwart stellen.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler