Schminck-Gustavus, Christoph U., Feuerrauch. Die Vernichtung des griechischen Dorfes Lyngiádes am 3.Oktober 1943. J. W. H. Dietz, Bonn 2013, 336 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Zu den Grundmustern des menschlichen Verhaltens zählt wohl von Anfang an die Rache nach dem biblischen Muster von Auge um Auge und Zahn um Zahn, wobei selbst die darin angesprochene Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht gewahrt wird. Stellt der Mensch eine tatsächliche oder vermeintliche Verletzung seiner Interessen fest, schlägt er vielfach mit allen ihm verfügbaren Mitteln zurück. Der augenblicklichen wie der späteren Rechtfertigung dienen meist die unterschiedlichsten Ausführungen.

 

Der in Frankfurt 1942 geborene, über das politische Strafrecht Siziliens nach den Assisen von Ariano (1143) und den Konstitutionen von Melfi (1253) 1970 promovierte und danach bald nach Bremen berufene Verfasser hat sich seit langer Zeit für das Unrecht in dieser Welt besonders interessiert. In diesem Zusammenhang hat er beispielsweise das Heimweh des Walerjan Wróbel im Rahmen eines Sondergerichtsverfahrens ausführlich thematisiert. Darüber hinaus hat er sich besonders dem Unrecht des Deutschen Reiches in Griechenland im zweiten Weltkrieg zugewendet.

 

Als ein bewegendes Zeugnis liegt nunmehr seine eindringliche Studie über die Vernichtung eines griechischen Dorfes am 3. Oktober 1943 als Rache für ein Attentat auf einen deutschen Oberstleutnant namens Salminger nach einer griechischen Erstveröffentlichung von 2011auch in deutscher Sprache vor. Durchweg aus seiner subjektiven persönlichen Perspektive schildert er eindrucksvoll und ansprechend bebildert in Erinnerung an Gianne Badaluka (1950-1991) in sechs Kapiteln ein Dorf in Flammen, eine Chronik der Heimsuchungen, den Weg von Joánnina nach Athen, die toten Seelen und die letzten der wenigen, das kaltherzige Massaker überlebenden Zeugen, ehe er die in den Archiven Deutschlands aufbewahrten Zeugnisse betrachtet und auswertet (darunter eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht München I vom 18. September 1972 betreffend Ermittlungen wegen Verletzung des Völkerrechts gegenüber dem seinerzeit kommandierenden General Lanz - unvermeidbare und damit notwendige Folge des Krieges). Am Ende seiner aus Wanderungen im Epirus entstandenen Darstellung steigt er mit seinem Freund Jánni auf einer imaginären Treppe immer tiefer, aber die Treppe nimmt kein Ende und er weiß nicht, ob beide jemals ankommen werden, doch hält er abschließend fest, dass keiner der Zeugen seines nur schwer zu einem Verlag findenden Werkes ihm gegenüber die Frage der - von der Bundesrepublik Deutschland ohne Einschränkung abgelehnten - Wiedergutmachung für den Tod zahlreicher Kinder, Frauen und Greise (namentliche Liste  mit 79 Namen S. 307f.) gestellt hat und äußert die wünschenswerte Hoffnung auf einen endlichen Sieg von Gerechtigkeit über menschliches Unrecht.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler