Schlosser, Horst Dieter, Sprache unterm Hakenkreuz. Eine andere Geschichte des Nationalsozialismus. Böhlau, Köln 2013. 423 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Verhältnis zur Hand ist das Gehirn das wohl wichtigere Organ des Menschen, weshalb der Verstand der Kraft vielfach überlegen ist. Dementsprechend agiert auch die politische Strömung auf die Länge erfolgreicher mit dem Wort als mit der Waffe. Von daher ist eine Aufarbeitung der Sprachverwendung unter dem nationalsozialistischen Kennzeichen des Hakenkreuzes ein bedeutendes Forschungsanliegen.

 

Ihm hat sich im vorliegenden Werk der in Düsseldorf 1937 geborene, nach dem Studium von Germanistik, Geschichte, Philosophie und Pädagogik an den Universitäten in Hamburg, Münster und Freiburg im Breisgau von 1965 an als wissenschaftlicher Assistent und akademischer Rat in Hamburg und Frankfurt am Main tätige Verfasser gestellt, der von 1972 bis 2002 als Professor für deutsche Philologie in Frankfurt am Main wirkte. Seine wissenschaftlichen Neigungen lagen zwar anscheinend ursprünglich bei mittelalterlichen Autoren wie Hermann von Sachsenheim, doch hat der bereits von 1976 bis 1978 als Vizepräsident der Universität Frankfurt wirkende Gelehrte über diesen Ausgangspunkt vielfach und weit ausgegriffen. Dabei hat er sich 2003 unter dem Titel Das Deutsche Reich ist eine Republik der Kommunikation und Sprache der Weimarer Zeit gewidmet und 2005 unter dem Titel Es wird zwei Deutschlands geben der Zeitgeschichte und Sprache in Nachkriegsdeutschland (1945-1949) sowie bereits früher der deutschen Sprache in der DDR zwischen Stalinismus und Demokratie (1999).

 

Da er zudem seit 1991 als Initiator der Suche nach dem Unwort des Jahres wirkte, lag es ziemlich nahe, sich umfassend auch mit der Sprache während der nationalsozialistischen Herrschaft zu beschäftigen. Dies geschieht nach einer erklärenden Einleitung zu den Fragen, warum und wozu eine Diktatur die Sprache braucht, in insgesamt 17 Abschnitten. Sie sind im Wesentlichen chronologisch geordnet.

 

Dementsprechend setzt der Verfasser mit dem politisch-kommunikativen Klima in der Zeit der Weimarer Republik ein und greift von hier aus auf die frühe Sprache der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei zu. Umsichtig zeigt er den gleitenden Übergang zu Diktatur und Imperialismus, der von sozialen Wohltaten und publikumswirksamen Projekten begleitet wird. Wichtige weitere Schritte sind Gleichschaltung, Propaganda und Personenkult um den Führer.

 

Ausgesondert werden Erbkranke und Unproduktive, einer Endlösung wird zugeführt der Vernichtungskampf gegen die jüdische Gegenrasse. Der Krieg ist aufgezwungen, kann aber als deutscher Freiheitskampf zu einem germanischen Reich deutscher Nation führen. Zwischen Allmacht und Gewalt verarmt die Sprache, der nur im Untergrund eine Alternative des deutschen Widerstands entgegengestellt wird.

 

Am Ende bietet der Verfasser einen Versuch der Zusammenfassung seiner vielfältigen neuen, unter dem Motto Wittgensteins „Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache“ gewonnenen Erkenntnisse. Ein Anhang dokumentiert etwa 40 Quellen sowie die verwendete Literatur. Ein Personenregister verzeichnet etwa 350 Personen von Paul Abraham bis Arnold Zweig, während ein interessantes Register der in diesem voraussichtlichen Standardwerk verwendeten Leitwörter und ihrer Erstbelege leider fehlt, was eine zu erwartende zweite Auflage aber stets ausgleichen könnte.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler