Scheib, Karl Ulrich, Justiz unterm Hakenkreuz. Strafjustiz im Nationalsozialismus bei der Staatsanwaltschaft Ulm und den Gerichten im Landgerichtsbezirk Ulm.Verlag Klemm + Oelschlägel, Ulm 2012. 275 S., 2 Abb., zahlr. Tab. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Die mit der Bestnote „summa cum laude“ gewürdigte Marburger juristische Dissertation verfasste der 1941 in Ulm geborene Oberstaatsanwalt im Ruhestand nach einer zehnjährigen Vorbereitungszeit. Der Verfasser stellt seiner Arbeit eine Darstellung der Quellenlage voran. In einer Gliederung schildert er die Einflussnahme im Dritten Reich auf die Justiz. Hierbei werden Maßnahmen der Lenkung der Justiz und ihre Umsetzung in der Alltagspraxis dargestellt. Im folgenden Abschnitt über die Staatsanwaltschaft ist ein Schwerpunkt auf die Verstöße gegen Heimtückevorschriften gelegt. Nach den gerichtlichen Entscheidungen, gegliedert in die Abschnitte ‚Unerlaubter Umgang mit Kriegsgefangenen’, ‚KriegswirtschaftsVO und VerbrauchsregelungsstrafVO’, ‚VolksschädlingsVO’, ‚Gefährliche Gewohnheitsverbrecher (§ 20a StGB)’, ‚Kriegssonderstrafrechtsverfahren’, ‚Jüdische Mitbürger vor der Ulmer Justiz’, ‚Verfahren gegen Pfarrer und Bibelforscher’ und ‚Verfolgung von Homosexuellen’, wird die Frage ‚Politischer Druck auf Gerichte ?’ gestellt. Nach den Straftaten, die in der nationalsozialistischen Zeit besonderes Interesse gefunden hatten, wird die Rechtsprechung zu den ‚klassischen Delikten’ dargestellt. Im Abschnitt über ‚Strafjuristen in Ulm’, einschließlich ihrer Tätigkeit nach dem Mai 1945, sind einzelne ‚furchtlose Juristen’ –im Widerstand- und ‚furchtbare Juristen’ („Speerspitze der Partei“) porträtiert. Der Zusammenfassung folgt als Schluss das Literaturverzeichnis.

 

Leider lässt die Arbeit keine Umschreibung des Untersuchungsgebietes erkennen. Die räumliche Entwicklung des Landgerichtsbezirks Ulm und der Bezirke seiner Amtsgerichte sind nicht beschrieben. Im Untersuchungszeitraum gab es Amtsgerichte in Blaubeuren, Ehingen (Donau), Geislingen (Steige), Göppingen, Laupheim, Münsingen und Ulm. Einzelne wurden zwischenzeitlich aufgelöst, andere wurden anderen Landgerichtsbezirken zugeordnet. Diese Veränderungen wären darzustellen gewesen, zumal gerade zwischen 1945 und 1949 die Zonengrenze den Landgerichtsbezirk durchschnitt.

 

In der Einleitung und in dem Werbeaufdruck der Rückseite des Umschlags lobt der Betreuer, Prof. Dr. Dieter Rössner, die Untersuchung als ein ‚kleines Juwel’. Bei einer angemessenen Würdigung eines Juwels beginnt die Prüfung bei der Einfassung, hier der 832 Fußnoten und des Literaturverzeichnisses.

 

In Fußnoten abgekürzt zitierte Arbeiten werden in der Regel im Literaturverzeichnis (LV) aufgeführt. Wüllenweber (S. 626 Fn.707) fehlt im Literaturverzeichnis, Kerkmann (S. 185 Fn. 582) findet sich nicht im Literaturverzeichnis, könnte jedoch zu Diewald-Kerkmann (S. 177 Fn. 552) passen. Stein-Stegemann (S. 227 Fn. 709) fehlt im Literaturverzeichnis; handelt es sich vielleicht um „Hans-Konrad Stein-Stegemann: In der „Rechtsabteilung“ des Unrechtsstaats. Berlin 2000“? Das Zitat zu Scheerbarth (S. 257 Fn. 816) mit dem systemwidrigen Volltext erlaubt den Vergleich zum Literaturverzeichnis, wo dann der falsche Autorenname ‚Schneebarth’ zu berichtigen ist.

 

Rainer Opitz verfasste an der Hochschule Vechta eine Dissertation, er wird teilweise richtig (S. 16 Fn. 17, 26 Fn. 31), aber auch falsch (Oppitz, S. 81 Fn. 185 und im Literaturverzeichnis), zitiert. Warum zu Fortelka (S. 32 Fn. 72) das vollständige Literaturzitat gebracht wird, das auch im Literaturverzeichnis steht, weiß sicher der Verfasser. Erler (S. 14 Fn. 8) führt zu dem Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, das zwischen 1971 und 1998 in fünf Bänden erschien. Zu diesem Sammelwerk mit zahlreichen Artikeln verfasste Michael Stolleis um 1981 den Artikel ‚Nationalsozialistisches Recht’, der im dritten Band (1984) erschien (Spalten 873 bis 892). Dort ist Sp. 878 das Zitat hinsichtlich von Staatsrechtslehrern zu finden. Da es unter  den Juristen mehrere bedeutende Träger des Namens Kaufmann gibt, sei darauf hingewiesen: es handelt sich um Erich Kaufmann, dem in der 2.Auflage des Handwörterbuchs ein eigener Artikel gewidmet ist (Band 2, Sp. 1682f.). Obwohl in dem Zitat (Erler HRG III, Sp. 878) auch Ernst Forsthoff genannt ist, wird seine Veröffentlichung von 1943 (LV) zum Parteiprogramm des NSDAP (u. a. S. 112 Fn. 300, S. 226 Fn. 705) zitiert. Die Veröffentlichung des Bundesarchivs, „Deutsche Parteiprogramme“, hg. v. Wilhelm Mommsen, 2. Aufl., Boppard 1960, S. 548-550, wäre eine qualifiziertere Quelle gewesen. Bei der zitierten Nr.18 des Parteiprogramms (S. 112 Fn. 300) ist Satz 1 weggelassen, ohne dass die Auslassung kenntlich gemacht ist. Spricht der Autor hier von Nr. 18, so zitiert er später (S. 226 Fn. 705) Punkt 20, Satz 1, Satz 2-4 sind unmarkiert ausgelassen. Eine Quelle sollte aber gleichmäßig bezeichnet und zitiert werden. Bei Meisinger (S. 209 Fn. 653) handelt es sich um Josef Albert Meisinger, der als Kriegsverbrecher 1947 in Warschau hingerichtet wurde, der zitierte Artikel erschien 1940 und umfasste die Seiten 226-244.

 

Zu fragen ist, wo die Thierack zugeschriebene Äußerung (S. 97 Fn. 240) zu finden sein soll. In gleicher Weise ist Radbruchs angebliche Äußerung (S. 25 Fn. 27) nicht belegt. Dahms Äußerung (S. 25 Fn. 29) ist durch das Zitat (LV) nicht belegt.

 

Bei dem oft zu juristischen Themen publizierenden Gritschneder (S. 26 Fn. 32) fehlt der Titel der zitierten Arbeit. Wenn auch bei Raecke (S. 26 Fn. 37) ein nichtbezeichneter Artikel erwähnt wird, so ist er wohl mit Walter Raeke (1878-1959), dem „Reichsinspekteur des BNSDJ“, dessen Karriere 1937 wegen verschwiegener Logenmitgliedschaft endete, identisch, den das Literaturverzeichnis nennt. Die Studie von Michael Sunnus, Der NS-Rechtswahrerbund, 1990, wäre hier und S. 28 Fn. 53 ergänzend auszuwerten gewesen. Auf S. 35 ist Löffler ohne Beleg zitiert. Zu denken ist an Matthias Löffler (LV), dessen im Titel falsch zitierte Hannoveraner Dissertation die Untersuchung der „Richterdisziplinierung“ während der Anfangsjahre des Nationalsozialismus behandelt. Der Verfasser lässt für diese Arbeit den Leser raten, auf welcher Seite ein Zitat stehen soll (S. 27 Fn. 42 – S. 59ff.). Den Sinn der folgenden Fußnote vermag wohl nur der Verfasser zu erkennen. Wenn Rolf Hochhuths ‚Liebe in Deutschland’ zitiert wird, so sollte die Ersterwähnung ‚furchtbarer Jurist’ in der Buchausgabe genannt werden (1978, S. 62). Wenn der Verfasser bei Grub die Erwähnung von dessen Mitgliedschaft im Schwabenbanner für notwendig hält (S. 250 Fn. 791), ohne seine Funktion als Gründungsmitglied (1920) zu würdigen, so ist ihm wohl entgangen, dass auch Hermann Braun (S. 253 Ziff. 3) in diesem Verein tätig war (s. Schwabenbanner Ulm. Rechenschaftsbericht anlässlich der Auflösung des Vereins 1939. Verfasst im Auftrag des Ausschusses von Hermann Braun). Dort ist (S. 47) schon Brauns Wechsel nach Rottweil aufgeführt. Braun und Grub befanden sich in diesem Verein, der auch ein Zusammenschluss örtlicher Schützenvereine war, neben verschiedenen Männern, die in Ulm in der Wirtschaft tätig waren.

 

Da der Verfasser mehrfach die ‚Ulmer Bilder-Chronik’ zitiert und jeweils unterschiedliche Zitierweisen nutzt (S. 158 Fn. 474; 201 Fn. 628; 254 Fn. 807; 257 Fn. 815 u. ö.) ist das Werk kurz zu beschreiben. Im Auftrage eines örtlichen Verlegers wird in Kurzartikeln zu einzelnen Tagen die Ulmer Stadtgeschichte ausgewertet und textlich bearbeitet. Bislang erschienen seit 1929 sechs Bände, wobei der Band 5 in zwei Teile gegliedert ist. Die Bände 5a und 5b bearbeitete Hildegard Sandner, sie erschienen 1988 (5a) und 1989 (5b). Der Titelansetzung der Deutschen Nationalbibliothek folgend wäre der Titel: Ulmer Bilder-Chronik.

 

Dr. Max Konrad Ernst (S. 242 Fn. 756) wurde bei seiner Verabschiedung als Spezialist für Ulmer Stadt- und Kunstgeschichte gewürdigt. Dies wäre wohl kaum erfolgt, wenn seine Zurruhesetzung erfolgt wäre, weil er sich für den Verbleib des Ulmer Museumsdirektors eingesetzt hätte. Ernst, geboren am 19. 11. 1869, war im Januar 1935 schließlich 65 Jahre und damit im Ruhestandsalter. Falsch ist die Aussage, dass Julius Baum, der verdiente Ulmer Museumsdirektor, Jude war. Er wurde als Jude beschimpft, weil seine christliche Taufe von den Nationalsozialisten nicht beachtet wurde (s. Myrah Adams, Julius Baum-Museumsdirektor zwischen Tradition und Moderne-1882-1959, Ulm 2005, S. 24f.). Er trat mit Wirkung vom 1. 5. 1907 aus der jüdischen Gemeinschaft aus und wurde am 24. 1. 1918 christlich getauft. Nachdem Baum am 18. 3. 1933 beurlaubt und am 29. 5. 1933 entlassen wurde, hätten die Ulmer Nationalsozialisten in dieser Zeit wohl nicht über ein Jahr verstreichen lassen um einen aufmüpfigen Juristen zu disziplinieren. Das behauptete Vorbringen zugunsten von Ernst hätten wohl Strafjuristen als unbegründete Schutzbehauptung qualifiziert.

 

Der Pfarrer Franz Weiß kann durchaus dem Ulmer Polizeidirektor Dreher einen „Persilschein“ des Inhalts ausgestellt haben, wie er zitiert wird (S.254 Fn. 805), jedoch ist der Text dazu weder an der angegebenen Stelle in Kopfs Werk enthalten noch an einer anderen Stelle, an der nach dem Personenregister Dreher genannt ist. Der ehemalige Leiter des Ulmer Stadtarchivs, Hans Eugen Specker, gab 1995 den zitierten Sammelband über Ulm im Zweiten Weltkrieg heraus, der 1996 unverändert als 2. Auflage herausgebracht wurde (S. 111 Fn. 294/295). In diesem Band beschrieb Bettina Herrmann, Das tägliche Leben zwischen Einschränkung und Pflichterfüllung (S. 55-98). Sie hätte eine Aufnahme in das Literaturverzeichnis verdient. Fn. 294 bezieht sich auf Herrmann S. 67 Fn. 53. Dort schildert Herrmann jedoch nicht Ulmer Verhältnisse, sondern bezieht sich auf Richard Grumberger, Das zwölfjährige Reich. Der Deutschen Alltag unter Hitler, 1972, S. 226. Seine Angaben haben überhaupt keinen Bezug zu Ulm, allein die Tatsache, dass Ulm im Deutschen Reich lag, stellt einen Bezug her.

 

Übernahmen aus anderen Arbeiten verdienen eine gesonderte Prüfung, die ersichtlich bei einer Übernahme aus Johe (S. 219 Fn. 671) unterblieben ist. Der zur Fußnote gehörende Text ist so zu verstehen, als ob Hitler in einem Tischgespräch gesagt habe „die negativen Elemente zu konservieren, sondern rücksichtslos das Geschmeiß auszurotten“. Zu diesem Tischgespräch ist zu beachten Lothar Gruchmann, Hitler über die Justiz-Das Tischgespräch vom 20. August 1942, (in) Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, Bd. 12, 1964, S. 86-101, mit Dokumentenabdruck S.94-101. Dort lautet ein Satz Hitlers sinngemäß ähnlich: ‚Wenn ich auf der anderen Seite nicht rücksichtslos das Geschmeiß ausrotte, dann tritt eines Tages eine Krise ein’. Warum eine leicht zugängliche Originalquelle zugunsten eines Sekundärzitats verschmäht wird, weiß der Verfasser sicher zu begründen.

 

Bei der Übernahme von Zitaten aus den Richterbriefen (S. 97 Fn. 241-243) kürzt der Verfasser zwischen den Worten „Ehrvergessenheit“ und „als“ um 13 Worte, ohne dies kenntlich zu machen. Darauf folgend ist als sehr schwerer Fall eine Schwangerschaft erwähnt. Im Original heißt es indes „… keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, keinen schweren Fall anzunehmen“ (Richterbriefe S. 93 Fall 2).

 

Zu Hitlers Rede über die Justiz (S. 31 Fn. 71) zitiert der Verfasser einen Artikel Gribbohms. Näherliegend wäre es gewesen, die Rede anhand ihres Abdrucks in der von Ilse Staff herausgegebenen Dokumentation (LV), die 1978 und 1979 in weiteren Auflagen erschien, zu zitieren und auszuwerten.

 

Das beeindruckende Foto (S. 82) des Kahlscherens einer jungen Frau auf dem Ulmer Marktplatz, der heute im Sommer allsonntäglich Promenadenkonzerte sieht, verdient einen Kommentar: Der an der Hauswand im Hintergrund zu lesende Frisör August Sauter weigerte sich, an der Prozedur teilzunehmen, so dass ein auswärtiger Frisör geholt wurde. Die Ulmer Bilder-Chronik (Bd. 5a, S. 450-454) berichtet ausführlich über die Prozedur und bringt weitere Fotos der begeisterten Zuschauer, die immer schon dagegen waren. Die dort veröffentlichten Bilder sind mit neuem Text durch Franco Ruault (LV) in dem von Edwin Ernst Weber herausgegebenen Sammelband (2009, S. 241-268; Verfasser ohne Jahr, S. 24 ff.) verwandt worden. In den verschiedenen Veröffentlichungen trägt das Opfer die Vornamen „Anna“, „Erna“ und der Verfasser gibt dann „Emma“ an; die Strafhöhe schwankt zwischen 1 Jahr Zuchthaus und 15 Monaten Zuchthaus bei 2 Jahren Ehrverlust. Wenn der bekannte Familienname weiterhin Schutz verdient, sollte doch über den Vornamen Klarheit zu schaffen sein. Der Ulmer Buchhändler Manfred Eichhorn hat das genannte Gedicht u. a. im Programmheft ‚… und die Freiheit weint’ des Chors „Kontrapunkt“ zu einem Auftritt am 30. 1. 2002 abdrucken lassen.

 

Die Baitinger (S. 257 Fn. 815) zugeschriebene Aussage vom 8. 3. 1935 ist gegenüber der Quelle (Ulmer Bilder-Chronik, Bd. 5a S. 105) nicht unerheblich verändert „… hätten, entsprechen, wie Baitinger sagt, ebenso wie die Gesetze zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, zur Ordnung der nationalen Arbeit usw. den Erfordernissen des deutschen Volkes. Deshalb habe der Nationalsozialismus gerade die juristische Jugend so rasch für sich gewonnen“.

 

Eine bemerkenswerte Karriereentwicklung ist für den 1879 geborenen Paul Rost (S. 254) beschrieben: „bereits im Jahre 1932 mit 53 Jahren Ministerialrat in Stuttgart geworden“ und vier Zeilen später „Von 1915 bis Mitte 1933 war er in Stuttgart als Ministerialrat“.

 

Uneinheitlich geht der Verfasser mit  zitierten Gesetzen und Verordnungen um. Allgemeiner Brauch sollte Zitierung nach Datum und Fundstelle im Reichsgesetzblatt sein. Das Luftschutzgesetz vom 26. 6. 1935 (RGBl. I S.827), (anders S. 124 Fn 347) enthielt in § 12 eine Ermächtigung für Verordnungen, so dass die 8. DVO, wie zitiert, am 23. 5. 1939 und die Verdunklungsverordnung vom 31. 8. 1943 (RGBl. I S. 521) ergehen konnten.

 

In Fußnoten als Verweis „a. a. O.“ anzugeben, bedarf einer gewissen Sorgfalt. Worauf der Verfasser (S. 111 Fn. 297) a. a. O. FN 377 bezieht, ist nicht nachvollziehbar; anders ist es S. 28 Fn. 54 und 55: dort ist die Angabe überflüssig.

 

Die „Lex Emminger“ (S. 36 Fn. 87) fand durch Thomas Vornbaum: Die Lex Emminger … 1988, eine ausführliche Würdigung. Das den Strafprozess umgestaltende Gesetz vom 4. 1. 1924 (RGBl. I S. 15-42) hatte der bayerische Richter und Reichstagsabgeordnete Erich Emminger, der vom 30. 11. 1923 bis zum 15. April 1924 (Verfasser „1922/23“) als Reichsjustizminister amtierte, durchgesetzt. Sicher war früher jedem Marburger Strafrechtler bekannt, dass Franz von Liszt (S. 131 Fn. 370, ohne Fundstelle der Rede) am 15. Oktober 1882 über „Zweckgedanke im Strafrecht“ sprach, der Abdruck erfolgte im Marburger Universitätsprogramm 1882, S. 126-179, und 1883 in Band 3 der Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft. 1905 wurde der Abdruck in Liszts Strafrechtlichen Aufsätzen und Vorträgen, Bd. 1, wiederholt.

 

Die finanziellen Vorteile einer Beförderung (S. 231 Fn. 721) für Beamte, und damit auch für Richter und Staatsanwälte, ergaben sich nicht aus ‚Ergänzungsplan zur Reichsbesoldungsplan (RGBl. I 1935 S. 385ff.)’, dort ist das ‚Gesetz über die Unzulässigkeit der Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen’ vom 17. 3. 1935 zu finden. Die Besoldung von Beamten, und damit auch von Richtern und Staatsanwälten, wurde nach dem Reichsbesoldungsgesetz vom 16. 12. 1927 und der Reichsbesoldungsordnung in den Teilen A und B bestimmt und berechnet. Das ‚Gesetz über die vierundzwanzigste Änderung des Besoldungsgesetzes’ vom 13. 12. 1935 (RGBl. I S. 1489) hatte als Anlage (S. 1491) den ‚Ergänzungsplan zur Reichsbesoldungsordnung’, in der die aufsteigenden Gehälter, soweit hier interessierend, der Besoldungsgruppen 1a bis 2 c 2. Abteilung geregelt wurden. Land- und Amtsgerichtsräte sowie Staatsanwälte erhielten als Jahresgrundgehalt in Stufen von 4600 bis 7100 RM. Die nächste Besoldungsgruppe reichte dann in Stufen von 4800 bis 8800 RM. Ein finanzieller Anreiz war damit bei Beförderungen durchaus erkennbar.

 

Wenn Sachbehauptungen, wie Nichtförderung oder Zwangsversetzung in die Provinz, aufgestellt werden (S. 29 Fn. 57) so ist zu fordern, dass dann auch Beispiele zitiert werden. Gleiches gilt für den Richter, der in den Ruhestand trat (S. 30 Fn. 66) und den ungenannten Kreisleiter (S. 30 Fn. 69), der eine Züchtigung mit der Hundepeitsche in Aussicht gestellt haben soll.

 

Im Literaturverzeichnis zitiert der Verfasser Exner, F., womit der bekannte Kriminologe Franz Exner gemeint ist, dessen Artikel die Seiten 377-379 umfasst. Bei der Arbeit Ralf Frasseks wird der Eindruck einer Monographie erweckt, jedoch handelt es sich um einen Zeitschriftenartikel in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte – Germanistische Abteilung, Band 117, 2000, S. 294-361. Lothar Gruchmanns Studie zur Justiz im Dritten Reich behandelte „Anpassung und Unterwerfung“; sie erschien 2001 in einer dritten, erweiterten Auflage. Warum sie nicht herangezogen wurde, weiß sicher der Verfasser. Hans Heuers „Auffassungen des Liberalismus und …“ war eine Göttinger Dissertation, die 1935 in Brinkum bei Bremen gedruckt wurde. Ungewöhnlich ist es, den (wohl nicht allgemein zugänglichen) Antrag von Michael Kißener auf Gewährung einer Publikationsbeihilfe als benutzte Literatur zu zitieren, wenn nicht angegeben ist, wo ein Leser Zugang hierzu erhalten kann. Das Karlsruher Habilitationsprojekt Kißeners ist in der von Franz-Josef Düwell herausgegebenen Arbeit „Themen juristischer Zeitgeschichte; 4“ Baden-Baden 2000, S. 165-171 dargestellt. Im Druck veröffentlicht wurde die Arbeit als „Zwischen Diktatur und Demokratie – Badische Richter 1919-1952“ 2003. Die Tübinger Dissertation Michelbergers widmet sich den Berichten aus der Justiz, die 1940 bis 1945 erstattet wurden. Leider findet der Verfasser nichts zu Moser, (?). Indes schrieb Hubert Roser den Beitrag über die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas (S. 248-255) in dem von Hans Hesse herausgegebenen Sammelband „Am mutigsten …“, der 2001 in Bremen eine Zweitauflage erfuhr. Reimeschs zitierte Arbeit über vergessene Opfer wurde in Berlin 2003 gedruckt. Der Artikel von Benigna Schönhagen. ´’„Auf meine Herren, zur Schlachtbank“ – Das Stuttgarter Sondergericht unter Hermann Cuhorst´’ (S. 223-228) erschien in dem von Marlene P. Hiller herausgegebenen Ausstellungskatalog Stuttgart im Zweiten Weltkrieg. Gerlingen 1989.

 

Unerkennbar ist das System, nach dem bei Personen Vornamen genannt bzw. fortgelassen werden. Der Vorname des Staatsanwalts A. (S. 54 Fn. 117) wäre sicher von Interesse gewesen. Bei dem Angeklagten Scholl (S. 257 Fn. 817) handelte es sich um Hans Scholl, für den das Verfahren am Stuttgarter Sondergericht 1937/1938 eine Wende in seinem persönlichen Leben bedeutete. Der Verfasser hätte hierzu nähere Einzelheiten gefunden bei: Michael Fritz, Die Ulmer ‚Trabanten’. Hans Scholl zwischen Hitlerjugend und dj. 1.11, 1999, und aktuell: Ulrich Herrmann: Vom HJ-Führer zur Weißen Rose…, 2012. Hauptvorwurf der Anklage war die Fortsetzung der Jugendarbeit in einer Gruppierung der bündischen Jugend. Die daneben erhobenen Vorwürfe sind der Arbeit von Fritz zu entnehmen. Die Verbindung Baitingers zu diesem Verfahren nennt der Verfasser nicht. Zu Baitinger (S. 21 Fn. 23) wäre interessant, welches Lexikon der Verfasser fand und hier meint.

 

Bei einzelnen Fußnoten (S. 14 Fn. 6, S. 53 Fn. 114 und S. 142 Fn. 413) ist die Systematik verständlicher Belege nicht eingehalten. Nachdem das Abkürzungsverzeichnis für Bü. die Erläuterung Büschel gibt, erschließt sich der Sachgrund nicht, weshalb zahlreiche Archivalien dennoch als Büschel bezeichnet sind.

 

Im Vorspann des Buches wird eine Lektorin erwähnt. Gewiss, sie kann schon Schlimmeres verhütet haben, aber warum übersah sie „Spruchammerverfahren“ (S. 15 Fn. 9), „Rechts-sprechungspraxis“ (S. 15), „Rechtsstatt“ (S. 15 Fn. 12), „Reisekostena-brechnungen“ und „Ähliches“ (S. 19 Fn.20), „das Justizministerien“ (S. 31), „Militärr-egierung“ (S. 50 Fn.111), „Be-handlung“ (S. 82), „auss-chließlich“ (S. 114 Fn. 319), „dem Ermächtigungsgesetzen“ (S. 228), „Amtsgerichtsdirek-tor Heiss“ (S. 251); „Militärsstrafgesetzbuch“, „Nationalsozialistische Fliegerkorps“, „Nationalsozialistische Kraftfahr(nicht: -er)korps“ (alle S. 269), (bei Müller) „Vortragseihe“ (S.273)? Eine Gewähr für Vollständigkeit wird nicht übernommen.

 

Die bisher aufgeführten Unzulänglichkeiten erwecken bei dem Rezensenten den Eindruck einer überaus flüchtig gearbeiteten Untersuchung. Ob sich diese Flüchtigkeiten auch bei den Zahlenangaben und den Angaben der verwandten archivalischen Quellen finden, hat der Rezensent nicht geprüft. Die Richtigkeit der sonstigen Aussagen und die Originaltreue der verwandten archivalischen Quellen, vermag der Rezensent nicht mehr vorbehaltsfrei zu würdigen. Der Rezensent kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das überaus interessante Thema der Arbeit den beiden Gutachtern den Blick auf die Selbstverständlichkeiten einer Arbeit mit wissenschaftlichem Anspruch verstellt hat. Die vergebene Bewertung lässt mit Schrecken ahnen, welche Promotionsleistungen im hessischen Marburg in der juristischen Fakultät mit „cum laude“ beurteilt werden.

 

Sollte eine gründlich überarbeitete Veröffentlichung erscheinen, so wird angeregt, das beeindruckende Photo aus der Ulmer Bilder-Chronik (Bd. 5a S. 179) abzubilden, auf dem acht Robenträger stolz mit dem ab 1. 10. 1936 zu tragenden Hoheitszeichen, dem Reichsadler, auf der Robe zu erkennen sind. Wüsste man auch ihre Namen, wäre dies eine Bereicherung. Dem Oberlehrer Alois Wiehl (S. 70 Fn. 156), der 1949 als Rektor a. D. im Ulmer Adressbuch stand, sollte eine ausführlichere Würdigung widerfahren. Die durchgängige Nennung von Vornamen bei den erwähnten Personen wäre ebenso wünschenswert wie ein Personenregister und ein Verzeichnis der benutzten Archivalien.

 

Neu-Ulm                                                                                                          Ulrich-Dieter Oppitz