Schack, Haimo/Ackmann, Hans-Peter, Das Bürgerliche Recht in 100 Leitentscheidungen. Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XV, 632 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Scire leges non est verba eorum tenere sed vim ac potestatem (lat.). Die Gesetze zu kennen, heißt nicht, ihre Worte behalten, sondern ihre Macht und ihr Vermögen. Dies hat bereits der etwa zwischen 70 und 140 nach Christi Geburt lebende römische Rechtskundige Celsus in einer durch die Digesten Justinians überlieferten Rechtsregel zum Ausdruck gebracht.

 

Was freilich vis und potestas der lex jeweils sind, ist nicht immer leicht zu erkennen. Am ehesten gelingt dies den erfahrenen Rechtskundigen, zu denen in der Gegenwart die Richter der führenden Gerichte zählen, selbst wenn sie ihre Erkenntnis nicht in erster Linie durch ihre Vernünftigkeit, sondern vor allem mittels des ihnen anvertrauten Amtes durchsetzen können und wohl auch wollen. Die dabei erlangten Fähigkeiten sind das Ziel jedes neu sich in den Dienst des Rechtes stellenden Anfängers, weshalb nicht nur im angelsächsischen Recht das Wissen um leading cases unabdingbar ist, sondern auch in der deutschen Ausbildung die grundlegenden Entscheidungen der Bundesgerichte vielfache Einsichten vermitteln können und sollen.

 

Im Jahre 1989 haben die beiden 1952 bzw. 1954 geborenen, in Berkeley in Kalifornien fortgebildeten, zuletzt in Kiel und Köln tätigen Verfasser ihr Werk unter dem Titel Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bürgerlichen Recht als Arbeitsmaterial zur Begleitung von Vorlesungen, als Hilfe für die Vorbereitung auf Klausuren in Übungen und als Dienstleistung für die Examensvorbereitung im Verlag Beck erstmals vorgelegt und sich dabei das amerikanische Lernen am Casebook bewusst zum Vorbild gegenüber den gelegentlichen blutleeren Beispielsfällen vieler deutscher Lehrbücher genommen. Nach der fünften Auflage des Jahres 2004 haben sie den Verlag und 15 Fälle gewechselt. Möge den Studierenden das sorgfältige Lernen der ausgewählten, die deutsche Privatrechtsentwicklung der letzten 60 Jahre punktuell abbildenden Entscheidungen, von denen die Nummern 1-15 den Allgemeinen Teil (z. B. Willenserklärung trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins), 16-38 das allgemeine Schuldrecht, 39-68 das besondere Schuldrecht, 69-86 das Sachenrecht, 87-93 das Familienrecht und 94-100 das Erbrecht (z. B. Bankauftrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall) betreffen und von denen einige gar nicht Eingang in die amtliche Sammlung des Bundesgerichtshofs gefunden haben, die fleißigen Leser darin unterstützen, die in den Gesetzen unvollkommen zum Ausdruck gelangte vis und potestas des geltenden deutschen Rechtes zu gewinnen.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler