Russlandheimkehrer. Die sowjetische Kriegsgefangenschaft im Gedächtnis der Deutschen, hg. v. Scherstjanoi, Elke (= Schriftenreihe der Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Sondernummer). Oldenbourg, München 2012. VI, 264 S., zahlr. Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Im Krieg wird der Mensch zum erklärten Feind des anderen Menschen. Zwar ist der Tod des anderen Menschen nicht das unbedingte und alleinige Ziel des einen, weil es in erster Linie um Sieg oder Niederlage geht, doch ist der Tod des anderen bei dem Kampf um den Sieg kein Hindernis, sondern vor allem eine Erleichterung im unerbittlichen Ringen. Bei Aufgabe des Kampfes durch Ergebung oder Überwältigung ist der Gegner immer noch Feind, dessen Leben eigentlich erst die neuzeitliche Humanität einigermaßen sichert.

 

Am 23. August 1939 schlossen Adolf Hitler für das Deutsche Reich und Josef Stalin für die Sowjetunion einen Nichtangriffsvertrag, wobei sie in einem geheimen Zusatzprotokoll eine Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären in Osteuropa vereinbarten. Am 1. September 1939 marschierten deutsche Truppen in Polen ein, am 17. September sowjetische Truppen und am 22. Juni 1941 ließ Adolf Hitler, der 1925 die Vernichtung des Bolschewismus zu einem Hauptziel des Nationalsozialismus erklärt hatte, trotz des Nichtangriffspakts im von Anfang an aussichtslosen Unternehmen Barbarossa die Sowjetunion angreifen. Damit begann ein unbarmherziges Töten auf beiden Seiten, das durch Kriegsgefangenschaft nur bedingt abgemildert wurde und dem auf deutscher Seite weltweit insgesamt 5,3 Millionen Soldaten zum Opfer fielen.

 

Die zwischen 1976 und 1980 an der staatlichen Kubaner Universität Krasnodar in der Sowjetunion in Geschichte ausgebildete, als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte in Berlin tätige, durch Publikationen etwa zur Geschichte der sowjetischen Kontrollkommission in Deutschland, zu Briefen von Rotarmisten aus Deutschland oder zur Agrarpolitik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands unter sowjetischer Kontrolle hervorgetretene Herausgeberin sammelt und untersucht im vorliegenden Band in einem neuartigen Ansatz Spuren überlebender deutscher Kriegsgefangener aus einer Gesamtzahl von rund 2 Millionen. Dabei stellt sie nach einer kurzen Einleitung 13 einzelne eigene und fremde Beiträge zusammen. Sie betreffen etwa Bilder, Literatur, Filme, Erinnerungen; Sprachen, Ausstellungen, Buchillustrationen und vieles mehr, wobei sich die deutsche Erinnerungskultur bis 1990 nicht unerwartet als zweigeteilt erweist.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler.