Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn, hg. v. Pöppelmann, Heike/Deppmeyer, Korana/Steinmetz, Wolf-Dieter (= Veröffentlichungen des braunschweigischen Landesmuseums 115). Theiss, Darmstadt 2013. 408 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Jeder besondere Mensch ist grundsätzlich unabänderlich in das in der Dimension Zeit verlaufende universale Geschehen eingebunden, mit dem er über seinen Verstand Beziehung aufnehmen kann. In diesem Rahmen kann er nicht nur über seine Gegenwart und in begrenztem Maße über seine Zukunft Wissen mit seinen Sinnen erfassen und in seinem Gedächtnis speichern, sondern auch über seiner individuellen Existenz vorausliegende Ereignisse und Zustände. Voraussetzung hierfür ist freilich irgendeine greifbare und verwertbare Überlieferung im weitesten Sinne.

 

In dieser Hinsicht gehörte es bisher zu dem allgemeinen Bestand geschichtlichen Wissens, dass in der zweiten Hälfte des Jahres 9 nach Christi Geburt drei römische Legionen unter Publius Quinctilius Varus in Germanien an einem nicht sicher bekannten Ort des Teutoburger Waldes gegen ein Heer der Germanen unter Führung des Cheruskers Arminius eine etwa ein Achtel des Gesamtheers des römischen Reiches vernichtende Niederlage erlitten und die Römer seitdem das Innere Germaniens gemieden hatten. Im Jahre (2000 unerlaubt und veröffentlicht) 2008 entdeckten zwei Hobbyarchäologen auf der Suche nach einer mittelalterlichen Burg bei Wiershausen aber auf einem unscheinbaren Höhenzug südwestlich Braunschweigs auf einer Fläche etwa eines Quadratkilometers zufällig Überreste eines germanisch-römischen Schlachtfelds aus dem 3. nachchristlichen Jahrhundert (zunächst ein Hufschutz, später dazu Geschossspitzen, eine Schaufelhacke, Achsnägel, Neufunde seit Ende des Jahres 2010 in einer Entfernung von etwa drei Kilometern, insgesamt mehr als 2800 Fundstücke). Diesen das bisherige Wissen erheblich bereichernden Fund dokumentiert der seit 2011 vorbereitete stattliche Ausstellungsband in Wort und Bild.

 

Seine rund 65 kurzen Einzelbeiträge sind nach einer ausführlichen Einführung Heike Pöppelmanns (Who cares?) in 7 Abschnitten zusammengefasst. Sie betreffen die Archäologie des Krieges (Schlachtfelder im Fokus der Forschung) einschließlich der Entdeckung eines Schlachtfelds, das es eigentlich gar nicht geben konnte, und einer Hipposandale als Initialfund sowie einer Datierung auf Kaiser Maximius Thrax im Jahre 235/236 n. Chr., das Verhältnis zwischen Rom und den Germanen im Allgemeinen (So lange wird Germanien nun schon besiegt), die Germania Magna jenseits des Limes, den Krieg als Profession, die Rekonstruktion der Schlacht am Harzhorn, Triumph und Verdammnis sowie Caesaren Helden und Heilige am Beispiel des römischen Soldaten in neuzeitlichen Darstellungen. Zahlreiche Abbildungen veranschaulichen ein zwar in der Literatur erwähntes, materiell aber lange Zeit scheinbar spurlos gebliebenes bedeutsames militärisch-politisches Geschehen in vorzüglicher Weise.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler