Ritz, Christian, Schreibtischtäter vor Gericht. Das Verfahren vor dem Münchner Landgericht wegen der Deportation der niederländischen Juden (1959-1967). Schöningh, Paderborn 2012. 257 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach der Beendigung der nationalsozialistischen Herrschaft Adolf Hitlers im Deutschen Reich am Ende des zweiten Weltkriegs setzte sich die Überzeugung durch, dass millionenfaches Unrecht unmenschlichster Art begangen worden war. Täter waren dabei nicht nur wenige Einzelne, sondern sehr viele hatten in irgendeiner Weise an den verschiedensten Verbrechen mitgewirkt. Die Idee der Gerechtigkeit hätte eine allgemeine Rechenschaft erfordert, doch konnte sie aus den verschiedensten Gründen nicht wirklich umfassend durchgeführt werden, sondern blieb ein auch von Zufällen geprägtes Stückwerk.

 

Die vorliegende Untersuchung ist die an der Universität Marburg im Jahre 2011 angenommene Dissertation des 1964 geborenen, an der Universität Marburg und am Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse der Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätigen Verfassers. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung über Forschungsstand, Fragestellungen, methodische Überlegungen, Aufbau und Quellen in fünf Abschnitte. Sie betreffen die Deportation der niederländischen Juden, die drei  (im Eingang vollständig und auf dem Umschlag teilweise abgelichteten) Täter Wilhelm Harster (ehemaliger Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Den Haag), Wilhelm Zoepf (Leiter des „Judenreferats“ in Den Haag) und Gertrud Slottke (dabei 3.1 ohne 3.2), Harsters Prozess in den Niederlanden, Wilhelm Harsters Nachkriegskarriere und am ausführlichsten das Verfahren gegen Zoepf u. a. vor dem Landgericht München II.

 

Am 24. Februar 1967 verurteilte das Schwurgericht am Landgericht München II wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord (in 82854 Fällen) Wilhelm Harster zu fünfzehn, Wilhelm Zoepf zu neun und Gertrud Slottke zu fünf Jahren Haft. Insgesamt stuft der Verfasser aus der Perspektive einer quantifizierend vergleichenden Urteilsanalyse das Verfahren als eines von vielen ein, misst ihm aber dennoch als Bestandteil einer umfassenderen Auseinandersetzungsgeschichte auch mit Schreibtischtätern außergewöhnliche Bedeutung bei. Wilhem Harster, dem später der in Erlangen 1928 erworbene juristische Doktorgrad Dr. iur. utr. entzogen wurde, starb in München am 25. Dezember 1991, während die Spuren Zoepfs und Slottkes sich selbst für den sorgfältigen Verfasser verloren haben.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler