Rigoll, Dominik, Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr. Wallstein Verlag, Göttingen 2013. 524 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Zumindest in nachträglicher theoretischer Überhöhung haben die Menschen in der Geschichte durch gemeinsame Vereinbarung zu ihrem eigenen Vorteil den Staat geschaffen, dessen vorrangige Macht freilich Einzelnen zur Ausübung übertragen werden musste. Kaum war dies geschehen, wurden vielfältige Gefahren sichtbar, von denen die neue Einrichtung und ihre Träger bedroht werden konnte. Dementsprechend entstand die Überzeugung, dass der Staat geschützt werden müsse und deshalb Staatsschutz und damit vor allem Schutz der die Macht im Namen des Staates Ausübenden erforderlich sei, wofür die unterschiedlichsten Einrichtungen gebildet wurden.

 

Mit dem Staatsschutz im westlichen Deutschland nach dem Ende des zweiten Weltkriegs befasst sich die von Peter Schöttler und Paul Nolte betreute, im Jahre 2010 am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin angenommene Dissertation des in Pirmasens 1975 geborenen, nach dem Studium von Geschichte, Politikwissenschaft und Linguistik in Saarbrücken, Paris, Bordeaux und Berlin 2003 zum Magister Artium graduierten Verfassers, der seit November 2011 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für neuere und neueste Geschichte der Universität Jena tätig ist. Sie setzt zeitlich mit den nach dem Ende des zweiten Weltkriegs verhängten etwa 200000 Berufsverboten gegen Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie Adolf Hitlers ein. Ansprechend verfolgt sie quellengestützt den mit dem Ende der Entnazifizerung eintretenden Wandel der Staatsfeindschaft über viele Jahrzehnte bis zum Auslaufen der als Berufsverbote bezeichneten Ablehnungen von Bewerbern  für den öffentlichen Dienst.

 

Schon Konrad Adenauer sah es dabei als ungefährlicher an, viele ehemalige Nationalsozialisten mehr oder weniger lautlos mit Pensionen und Gehältern auszustatten, als sie ohne Nachsicht in die Arme antidemokratischer Parteien zu treiben. Seit September 1950 wendete sich die politische Zielrichtung des Staatsschutzes dementsprechend vor allem gegen eine kommunistische Unterwanderung, zu deren Abwehr zwischen 1951 und 1968 in rund 125000 Strafverfahren 7000 Angeklagte wegen Verfassungsgefährdung verurteilt wurden. Seit dem so genannten Radikalenerlass vom Januar 1972 folgten dem schließlich zahllose Regelanfragen bei dem Verfassungsschutz, die im Ergebnis möglicherweise etwa 2000 Ausschlüsse aus dem öffentlichen Dienst nach sich gezogen haben könnten, ehe sie von dem politischen Vorgang der deutschen Einheit im Jahre 1990 überholt wurden.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler