Müller, Matthias, Die SPD und die Vertriebenenverbände 1949-1977. Eintracht, Entfremdung, Zwietracht. Lit Verlag, Münster 2012. 603 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach den Toten des zweiten Weltkriegs mussten wohl die Vertriebenen die größten Opfer für die überhebliche Verblendung Adolf Hitlers und seiner nationalsozialistischen Anhänger tragen. Sie verloren ihre Heimat und sannen in der Folge vor allem über mögliche Wege des Ausgleichs dieses gewichtigen Verlusts nach. Dass sich die dabei gesteckten Ziele nicht vollständig verwirklichen ließen, war vielen vermutlich von Anfang an klar, doch konnte allen die sich ergebende Wirklichkeit nur allmählich in der ablaufenden Zeit bewusst werden.

 

Das vorliegende Werk ist eine an der Universität Gießen im Jahre 2011 angenommene Dissertation. Sie befasst sich mit einem abgegrenzten interessanten Thema und schließt dabei eine bisher bestehende wissenschaftliche Lücke. Ansprechend geht sie auf das Grundproblem der Politik ein, dass auf der Suche nach Anhängern die Wahrheit von den politischen Führern vielfach lieber verschleiert als enthüllt wird.

 

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs stimmten die sich in Interessenverbänden sammelnden Vertriebenen und die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, deren Mitglied Wenzel Jaksch eine führende Aufgabe in der Vertriebenenbewegung übernahm, in ihren Zielen weitgehend überein, so dass beide 1950 das von der damaligen Deutschen Demokratischen Republik mit Polen geschlossene Abkommen über die Oder-Neiße-Grenze ablehnten. Im Laufe der Jahre wechselte aber die Sozialdemokratische Partei Deutschlands in der Person einzelner Vertreter und später allgemein ihre politischen Ziele und veröffentlichte schließlich 1968 ihre Bereitschaft zur Respektierung der Oder-Neiße-Grenze, während die Vertriebenen weiter an ihren optimalen Vorstellungen festhielten. Diese schließlich mit dem Übertritt Herbert Hupkas zur Christlich Demokratischen Union endende, zum politischen Gegensatz zwischen einen Ausgleich mit den östlichen Nachbarn grundsätzlich ablehnenden Vertriebenenverbänden und der politisch flexiblen, eine Mehrheit für sich suchenden Sozialdemokratischen Partei Deutschlands führende  Entwicklung zeichnet der Verfasser detailliert und überzeugend nach.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler