Müller, Christian,
Der Kadi und seine Zeugen. Studie der mamlukischen Haram-Dokumente aus
Jerusalem (= Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes 85). Harrassowitz,
Wiesbaden 2013. X, 647 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das christliche Abendland steht dem muslimischen
Morgenland seit Langem grundsätzlich reserviert gegenüber. Gleichwohl ist im
Zeichen zunehmender Globalisierung gelegentlich doch ein Blick über die
entschiedenen Grenzen sinnvoll und hilfreich. Deswegen sind an dieser Stelle
auch einige Sätze über eine grundlegende Monographie über einige das Verfahren
behandelnde Quellen aus Jerusalem angezeigt.
Sie betreffen die in Paris am Institut de Recherche et
d’Histoire des Textes entstandene, von Stefan Leder, Jürgen Paul, Irene
Schneider und Heiner Lück geprüfte und im Wintersemester 2006/2007 von der
philosophischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg angenommene
Habilitationsschrift des Verfassers. Sie gliedert sich in insgesamt neun
Abschnitte. Nach einer kurzen Einleitung über die Verwendung von Dokumenten bei
Gericht untersucht der Verfasser sehr gründlich die von ihm verwendeten
Dokumente (Zeugenurkunden, Abrechnungen, Schriftstücke des Geschäfts- und
Rechtsverkehrs und Yaqūlu-Deklarationen), gliedert den Korpus nach
historischen Gesichtspunkten beginnend im Jahre 703 nach der Hedschra,
beschreibt das Gericht in Jerusalem mit seinen verschiedenen Verfahrensarten, geht
auf die Kontrolle von Nachlässen ein, legt das mamlukische Justizsystem dar und
behandelt unter der Frage Richterarchiv oder Korruptionsfall den Fortgang der Ereignisse.
Am Ende fasst er seine vielfältigen Erkenntnisse in einer
kurzen Schlussbemerkung zusammen. Danach legen seine Quellen beredtes Zeugnis
ab von der Kadijustiz auf der Grundlage des islamischen Beweisrechts. Im
Ergebnis sieht er überzeugend seine Dokumente als einen Spiegel an, der die
bisherige, im Wesentlichen auf chronistische Berichte gestützte Sichtweise
durchaus zu relativieren vermag.
Innsbruck Gerhard Köbler