Mattiangeli, Daniele, Die Anwendung des ABGB in Italien im 19. Jahrhundert und seine historischen Aspekte (= Salzburger Studien zum europäischen Privatrecht 30). Lang, Frankfurt am Main 2012. 205 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das ursprüngliche Österreich an der Donau war von Italien eigentlich weit getrennt, wenn auch die Erweiterung des römischen Weltreichs um die Zeitenwende beide Gebiete für Jahrhunderte unter einer einheitlichen Herrschaft zusammengeführt hatte. Spätestens mit dem Herzogtum der Bayern entstand jedoch eine neue Nachbarschaft, die sich 1156 in dem neuen Herzogtum Österreich und seinen anschließenden Erwerbungen der Steiermark, Kärntens, der Krain und schließlich auch Tirols verdichtete. 1713 erlangten die seit 1282 in Österreich herrschenden Habsburger im nach dem Aussterben ihrer spanischen Linie (1700) mit Frankreich ausgetragenen spanischen Erbfolgekrieg Mailand, Mantua, Mirandola, kurzzeitig Neapel, Sardinien, Sizilien, Parma, Piacenza und die Toskana, von denen einiges nach dem Sturz Napoleons 1813/1815 bis zur Einigung Italiens im späteren 19. Jahrhundert bzw. bis zum Ende des ersten Weltkriegs wieder unter die Herrschaft der europäischen Großmacht Österreich zurückkehrte.

 

Von daher bot es sich bei Gelegenheit der Feiern des 200. Geburtstags des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs Österreichs von 1811/1812 gewissermaßen von selbst an, auch seine Ausstrahlungen auf Italien zu untersuchen. Johann Michael Rainer hat diese Aufgabe in den Rahmen eines von ihm geleiteten Projekts des österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung gestellt und für die Bearbeitung den in Rom 1979 geborenen, im italienischen Recht ausgebildeten Verfasser gewonnen. Als in Italien zugelassener Rechtsanwalt und Universitätsassistent am Fachbereich Privatrecht der Universität Salzburg hat er die Aufgabe im Rahmen eines Promotionsstudiums erfolgreich gemeistert.

 

Gegliedert ist die auf amtliche Dokumente, Zeitschriften, Monographien, Sammelwerke, Beiträge und Jurisprudenz in der Form zweier Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs Österreichs von 1851 gestützte Untersuchung in sechs im Wesentlichen chronologisch geordnete Abschnitte. Nach der einführenden Schilderung der historischen Ereignisse und der sozialpolitischen und juristischen Hintergründe in der Lombardei und in Venetien behandelt der Verfasser nacheinander die Probleme des Code Napoleon in Norditalien, die Einführung des österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs in Italien, seine Anwendung und schließlich seine Aufhebung als Folge der sozialpolitischen und historischen Veränderungen. Am Ende seiner ansprechenden Überlegungen kann er sogar noch in der Gegenwart das sistema tavolare der vormals österreichischen Gebiete als Vermächtnis des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs hervorheben, weil dort das österreichische System des Grundbuchs und der Eigentumsübertragung von Liegenschaften beibehalten wurde, wenngleich der Verfasser mit dem Wechsel von der Regierung Berlusconi zur Regierung Monti eine Gefahr der Zentralisierung gegenüber dem bisherigen Föderalismus befürchtet.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler