Maier, Alexandra, Geschiedenenunterhalt in Deutschland im 19. Jahrhundert (= Edition Rechtskultur Wissenschaft). Gietl Verlag und Publikationsservice GmbH, Regenstauf 2013. 235 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Das Werk – eine Tübinger Dissertation von 2012 – gibt einen Überblick über die „rechtliche Situation des geschiedenen Ehegatten im Hinblick auf nacheheliche Unterhaltsansprüche“, und zwar insbesondere darüber, „wie der Wandel von der römisch-rechtlichen Ehescheidungsstrafe zum nachehelichen Unterhaltsanspruch des Bürgerlichen Gesetzbuchs vonstatten ging und sich in Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebung widerspiegelte“ (Teil I, S. 16). Im Teil II setzt sich Maier mit dem römischen Dotalrecht auseinander, das die finanziellen Folgen der Auflösung der Ehe über das Rechtsinstitut der Ehescheidungsstrafen löste (S. 17-40). Das Decretum Gratiani gewährte einen Unterhaltsanspruch nur „bei Krankheit der Ehefrau und einem darin begründeten Unvermögen zur Erfüllung der (sexuellen) ehelichen Pflichten“ (S. 42ff.). Von den Partikularrechten kannten Unterhaltsansprüche der bayerische Codex Maximilianeus und das Allgemeine Landrecht Preußens, das der schuldlos geschiedenen Ehefrau alternativ zu einer Abfindung einen lebenslangen Unterhaltsanspruch in Höhe ihres standesmäßigen Unterhalts gewährte (S. 58ff.). Nach dem Code civil und dem Badischen Landrecht hatte der unschuldig Geschiedene gegen den anderen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch in Höhe von maximal einem Drittel des Einkommens des Schuldigen (S. 64ff., 213; vgl. Art. 301 des Code Napoléon). Auch das sächsische Bürgerliche Gesetzbuch sah einen Unterhaltsanspruch des bedürftigen unschuldigen Ehegatten vor. In der Literatur waren die Meinungen geteilt (S. 75ff.). Die unterhaltsrechtliche Judikatur zum gemeinen Recht (S. 103ff.) – diejenige zum preußischen Recht und zum Code civil/Badischen Landrecht wird nicht untersucht, da beide einen Unterhaltsanspruch anerkannten – war uneinheitlich; das Reichsgericht lehnte in zwei Entscheidungen von 1883 und 1885 für das gemeine Recht einen nachehelichen Unterhaltsanspruch ab. Hingewiesen sei darauf, dass grundsätzlich alle Urteile des Reichsgerichts in der Bibliothek des Bundesgerichtshofs von 1879 an greifbar sind (vgl. S. 142f.).

 

Auf den Seiten 149-210 geht Maier ausführlich der Entstehungsgeschichte der §§ 1578-1583 BGB a. F. nach (abgelöst durch die §§ 66 ff. des Ehegesetzes von 1938). Die relativ großzügige Regelung des Unterhalts für den unschuldig geschiedenen Ehegatten im familienrechtlichen Teilentwurf von Gottlieb Planck wurde von der ersten BGB-Kommission erheblich abgeschwächt (S. 163ff., 188), von der zweiten Kommission jedoch insbesondere aufgrund der Wünsche mehrerer Bundesstaaten (vor allem Preußens, S. 182f.) stärker ausgestaltet. Im Bundesrat und im Reichstag spielte das Unterhaltsrecht keine Rolle mehr. Auch die bürgerliche Frauenbewegung legte dem nachehelichen Unterhaltsrecht keine große Bedeutung bei (vgl. allerdings die Petition des Bundes Deutscher Frauenvereine zum BGB-Entwurf von 1895/1896 bei Tanja-Carina Riedel, Gleiches Recht für Frau und Mann. Die bürgerliche Frauenbewegung und die Entstehung des BGB, Köln 2008, S. 377f.). Abschließend weist Maier darauf hin, dass die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs wiederholt betont hatten, dass „im BGB ein völlig neuer, allein auf Billigkeit beruhender Unterhaltsanspruch geschaffen werden sollte“ (S. 216), was im Ergebnis auch verwirklicht wurde. Zu bedauern ist, dass ein Ausblick auf die Judikatur des Reichsgerichts zum nachehelichen Unterhalt fehlt (vgl. hierzu die Hinweise im Nachschlagewerk des RG zum BGB, hg. v. W. Schubert/H. P. Glöckner, Bd. 9, 2000, S. 455ff.). Das Werk wird abgeschlossen mit dem Abschnitt „Zusammenfassung und Ergebnis“ (S. 211-216), der hinsichtlich der Entstehung der Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs etwas ausführlicher hätte sein sollen. Auf den Seiten 217ff. folgen die Quellen zur Textentwicklung der §§ 1578-1583 BGB. Insgesamt liegt mit dem Werk von Maier erstmals eine unmittelbar aus den Quellen erarbeitete aktuelle Monographie zum Geschiedenenunterhalt vor, auf der Arbeiten zur Entwicklung des Geschiedenenunterhalts im 20. Jahrhundert aufbauen können.

 

Kiel

Werner Schubert