Lexikon der Geisteswissenschaften. Sachbegriffe – Disziplinen – Personen, hg. v. Reinalter, Helmut/Brenner, Peter J. Böhlau, Wien 2011. XIV, 1409 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Geisteswissenschaft, die mit etwa 5340000 Nennungen bei Google vielfach vertreten ist, umfasst in der Gegenwart vielleicht rund 40 verschiedene Einzelwissenschaften, die nach früherem Verständnis Teile der Faultäten Theologie, Jurisprudenz und Philosophie waren und sich in erster Linie auf den Menschen und nicht vor allem auf die ihn beherbergende Natur beziehen. Als Einheit wird sie gedanklich erstmals in einer anonymen Schrift mit dem Titel Wer sind die Aufklärer? im Jahre 1787 erfasst. In der Gegenwart hat sie 2011 Helmut Reinalter angesichts moderner Probleme in einem in achtjähriger Forschungsarbeit zahlreicher Beiträger entstandenen gewichtigen Lexikon präsentiert, das Hiram Kümper bereits vorzüglich rezensiert hat.

 

Es umfasst insgesamt die Sachbegriffe Analytik/Erklärung, Annales-Schule, Antikenrezeption, Ästhetik/Ästhetizismus, Aufklärung, Autor, Begriff, Begründung, Bibliothek, Bielefelder Schule, Bild, Bildung, Biografie, Buch (s. Medien/Medientheorien), Cultural materialism, Definition, Dekonstruktion, Dialektik, Dialog, Dienstleistungsgesellschaft (s. Gesellschaft/Gesellschaftstheorien), Diskurs/Diskurstheorien, Empirie/Erfahrung, Enzyklopädie, Episteme, Epochen/Periodisierung, Erkenntnis/Erkenntnistheorien, Erkenntnisinteresse, Erlebnisgesellschaft, Erzähltheorie, Erzählung, Essay, Ethik, Ethnozentrismus, Falsifikation, Feminismus/Frauenforschung/Gender Studies, Fernsehen (s. Medien/Medientheorien), Fiktion, Form/Formalismus, Fortschritt, Frankfurter Schule/Kritische Theorie, Freiheit, Freizeit, Funktion/Funktionalismus, Gedächtnis/Erinnerung, Gegenaufklärung, Geist, Geisteswissenschaften, Geschichte der Geisteswissenschaften, Gesellschaft/Gesellschaftstheorien (Dienstleistungsgesellschaft, Erlebnisgesellschaft, Risikogesellschaft, Wissensgesellschaft), Handlung/Handlungstheorien, Hermeneutik/Interpretation, Historicism (New), Historismus, Humanismus, Hybridität, Idealismus, Identität, Ideologie/Ideologiekritik, Innovation, Interdisziplinarität, Interkulturalität, Ironie, Kausalität, Klassik/Klassizismus, Kognition/Kognitionstheorien, Kommunikation/Kommunikationstheorien, Konstruktivismus, Kultur/Kulturtheorien, Kulturkritik, Kulturphilosophie, Kunst/Kunsttheorien, Leben/Lebenskunst, Lebenswelt, Leser/Lesen, Linguistic turn, Literatur/Literaturtheorien, Literaturkritik, Logik, Materialismus, Medien/Medientheorien (Buch, Fernsehen, Theater, World Wide Web), Metapher, Methode/Methodologie, Mimesis, Moderne, Mythos, Netz/Vernetzung, Nihilismus, Norm, Objektivität, Paradigma/Paradigmenwechsel, Parodie, Phänomenologie, Positivismus, Postmoderne, Poststrukturalismus, Pragmatismus, Praxis, Psychoanalyse, Rationalismus, Realismus, Relativismus, Religion, Rezeption/Rezeptionsforschung, Rhetorik, Risikogesellschaft (s. Gesellschaft), Schule, Semantik, Semiotik, Sinn, Sprache/Sprachtheorien, Sprechakttheorie, Struktur/Strukturalismus, Subjekt, Symbol, Symbolik, System/Systemtheorien, Theater (s. Medien/Medientheorien), Theorie, Tradition/Traditionalismus, Typologie/Typenbildung, Universität, Utopie, Verifikation, Vernunft/Vernunfttheorien, Wahrheit, Weltanschauung, Weltethos, Wert, Wissensgesellschaft (s. Gesellschaft/Gesellschaftstheorien), Wissen/Wissenschaft, World Wide Web (s. Medien/Medientheorien) und Zensur. Als Disziplinen werden behandelt Alltagsgeschichte, alte Geschichte, Amerikanistik, Anglistik, Anthropologie, Byzantinistik, Editionswissenschaft, Erziehungswissenschaften, Ethnologie, Germanistik, Geschichtswissenschaft, Gesellschaftsgeschichte, Ideengeschichte, klassische Archäologie, Kommunikationswissenschaft, Komparatistik, Kriegs- und Militärgeschichte, Kulturgeschichte, Kulturwissenschaften, Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft, Mentalitätengeschichte, Mittelalter- und Neuzeitarchäologie, Musikwissenschaft, Neogräzistik, Orientalistik, Philologie, Philosophie, Romanistik, Russistik, Slawistik, Sozialgeschichte, Sportwissenschaft, Sprachwissenschaft, Theaterwissenschaft, Tourismuswissenschaft, Translationswissenschaft, Ur- und Frühgeschichte, Volkskunde/europäische Ethnologie, Wirtschaftsgeschichte, Zeitgeschichte. Als Persönlichkeiten werden hervorgehoben Adorno, Althusser, Hannah Arendt, Barthes, Benjamin, Berlin, Bloch, Blumenberg, Bourdieu, Burckhardt, Cassirer, Chladenius, Croce, Danto, Deleuze, Derrida, Dewey, Dilthey, Droysen, Elias, Foucault, Freud, Gadamer, Geertz, Gehlen, Girard, Gombrich, Greenblatt, Habermas, Hegel, Heidegger, Herder, Huizinga, Husserl, Iser, Jauß, Kant, Kittler, Kristeva, Kuhn, Lacan, Leibniz, Levinas, Lévi-Strauss, Lübbe, Luhmann, Lukács, Lyotard, Marquard, Mittelstraß, Theodor Mommsen, Nietzsche, Ortega y Gasset, Popper, Ranke, Rawls, Rickert, Rorty, Sartre, Schleiermacher, Sedlmayr, Simmel, Steiner, Virilio, Warburg, Weber, Wellek, White, Windelband, Wittgenstein und Wölfflin.

 

In dieser anregenden Vielfalt hat der in Innsbruck von 1981 bis 2009 als Professor für Geschichte der Neuzeit tätige Initiator selbst die Lemmata Annales-Schule, Aufklärung, Ethik, Geist, Ideologie, Interdisziplinarität, Vernunft, Weltethos, Geschichtswissenschaft, Ideengeschichte, Kulturgeschichte, Mentalitätengeschichte, Sozialgeschichte, Adorno, Bloch, Burckhardt, Derrida, Dilthey, Foucault, Habermas, Huizinga, Mommsen, Popper, Ranke, und Max Weber dargestellt. Zusammen mit dem in Köln neuere deutsche Literaturgeschichte lehrenden Peter J. Brenner ist ihm unter Gewinnung zahlreicher sachkundiger Mitarbeiter ein großes Werk gelungen. In jedem Fall bietet es jedem Interessierten ungeachtet möglicher subjektiv empfundener Lücken wie Überschüsse einen vorzüglichen Überblick über Inhalt und Verständnis von Geisteswissenschaft an der Wende vom 2. zum 3. Jahrtausend im deutschsprachigen Mitteleuropa und darüber hinaus, die jedermann gewinnbringend in den genannten, durch ein Personenregister, Sachregister und ein Verzeichnis der Beteiligten gut aufgeschlossenen (knapp 250) Gegebenheiten zu Rate ziehen kann.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler