Lengemann, Jochen, Thüringische Landesparlamente 1919-1952. Biographisches Handbuch (= Veröffentlichungen der historischen Kommission für Thüringen. Große Reihe Band 1.4). Böhlau, Köln 2013. VII, 836 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

 

Im Rahmen des von Lengemann (1970-1990 Mitglied des hessischen Landtags; 1990 bis 1992 thüringischer Staatsminister) initiierten Forschungsprojekts: „Thüringische Volksvertretungen 1919-1952“ liegt nun nach den Bänden über die Landtage und Gebietsvertretungen von Schwarzburg-Rudolstadt, von Schwarzburg-Sondershausen und in den reußischen Staaten nunmehr auch das Biografische Handbuch für die thüringischen Landesparlamente von 1919-1952 vor. In der Einleitung (S. 9-46) behandelt Lengemann den Volksrat von Thüringen (1919/1920), den Landtag von Thüringen von 1919 bis 1933, die parlamentslose Zeit 1933-1946 und den Thüringer Landtag von 1946 bis 1952. Für die Zeit bis 1933 werden im Wesentlichen nur die parlamentarischen Institutionen „grob skizziert und Hinweise darauf gegeben, wo man sich in den Quellen weiter informieren kann“ (S. 3). Für die Zeit ab 1946 bringt Lengemann detailliertere Informationen, die „mehr als nur eine streng formale, rechtspositivistische Darstellung“ beinhalten. Im Überblick (S. 47-132) werden sodann für den Volksrat, die Landtage und die Landesversammlung zusammengestellt die Rechtsgrundlagen, die Wahlperioden, die Wahlergebnisse, die Anzahl der Sitzungen und die Fundstellen der Protokolle. Der biografische Teil (S. 136-706) umfasst 510 Kurzbiografien nach einer einheitlichen Gliederung (S. 134f.). Die alphabetisch angeordneten Kurzbiografien weisen jeweils noch eine Nummer auf, wodurch die Orientierung erheblich erleichtert wird. Der Band wird abgeschlossen u.a. mit einem umfangreichen Literatur- und Quellenregister sowie mit einem umfassenden Personen- und Ortsregister.

 

Von den Abgeordneten sei zunächst hervorgehoben Eduard Rosenthal (DDP; gest. 1926, S. 560f.), der nach seiner Habilitation unter Georg Meyer in Jena 1896 eine ordentliche Professur für Deutsche Rechtsgeschichte und öffentliches Recht erhielt. Er gilt als der „Vater der thüringischen Verfassung“ von 1921. Hingewiesen sei ferner auf Hermann Brill (1895-1959, SPD, S. 190ff.), der im Mai 1945 Behördenvorstand des Thüringer Staatsministeriums und kurz danach Regierungspräsident der Provinz Thüringen wurde (bis 16. 7. 1945; im Dezember 1945 von den sowjetischen Behörden zur „Unperson“ erklärt; S. 191; Flucht nach West-Berlin). Ausführlich behandelt sind auch die Nationalsozialisten Willy Marschler, thüringischer Ministerpräsident von 1933 bis 1945 (S. 470ff.) und Fritz Sauckel (Gauleiter des Gaus Thüringen von 1927 bis 1945; 1942-1945 zugleich Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz; von Jackson, dem amerikanischen Hauptankläger in Nürnberg, als der „größte und grausamste Sklavenhalter seit den ägyptischen Pharaonen“ bezeichnet [S. 571f.]). Mitglieder der Landesversammlung 1946 waren die Schriftstellerin und Dichterin Ricarda Huch (S. 571f.) und Richard Lange (ordentlicher Professor für Strafrecht von 1943 bis 1949 in Jena; 1949 an der Freien Universität Berlin, 1951 an der Universität Köln; S. 431f.) und zugleich als Mitglied des Landtags von Oktober 1946 bis Oktober 1947 der Romanautor Theodor Plievier (S. 522f.; Herbst 1947 Verbleib in den Westzonen). Insgesamt ist das Werk Lengemanns nicht nur für den Allgemeinhistoriker und die Landesgeschichte von Wichtigkeit, sondern in gleicher Weise auch für den Rechtshistoriker, der an der im Ganzen bisher nur wenig erforschten Verfassungs- und Rechtsgeschichte Thüringens für die Weimarer Zeit (hierzu u. a. die Aufsatzsammlung in dem vom Thüringer Landtag hg. Werk: „Die Behandlung der Sozial- und Gesundheitspolitik in den thüringischen Landtagen seit der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts“, Weimar 2012) und für die Zeit zwischen 1946 und 1952 interessiert ist.

 

Kiel

Werner Schubert