Kollektive Gewalt in der Stadt - Europa 1890-1939, hg. v. Lenger, Friedrich (= Schriften des historischen Kollegs 89). Oldenbourg, München 2013. XVII, 204 S., 2 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Nach der kurzen Einführung des Herausgebers ist die Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht zuletzt eine Geschichte der Gewalt, was allerdings auch für viele frühere Zeiten gelten dürfte. Für die Untersuchungszeit sind dafür zwar vor allem Kriege und Genozide ursächlich, die vor allem die erste Hälfte des Jahrhunderts prägten. Der Herausgeber kann aber darüber hinaus gute Gründe dafür anführen, den bisher vernachlässigten Blick auf kollektive Gewaltaktionen in den Großstädten Europas anführen.
Seine eigene wissenschaftliche Laufbahn begonnen hat der in Gelsenkirchen 1957 geborene Herausgeber nach dem Studium von Geschichte und Sozialwissenschaften in Düsseldorf und Bielefeld sowie in Michigan mit seiner in Düsseldorf 1985 angenommenen Dissertation über die Sozialgeschichte der Düsseldorfer Handwerker zwischen Kleinbürgertum und Proletariat in den Jahren zwischen 1816 und 1878. Dem folgten während der Zeit als wissenschaftlicher Angestellter und Hochschulassistent in Tübingen 1988 eine Sozialgeschichte der deutschen Handwerker seit 1800 und 1994 eine umfangreiche Biographie über Werner Sombart. Eine ausdrückliche Zuwendung zu Stadtgeschichten in Deutschland, Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika seit 1800 wird nach seinen Berufungen nach Erlangen und Gießen sichtbar.
Der vorliegende, dem Andenken an Klaus Tenfelde gewidmete, eines Sachregisters entbehrende Sammelband veröffentlicht die Referate seines vom 20. bis 22. Oktober 2011 in den Räumen des Historischen Kollegs in München abgehaltenen Kolloquiums. Er umfasst insgesamt neun Studien über Gewalt in der Stadt, im Zarenreich, im ersten Weltkrieg, in Hamburg, in Berlin, Wien und Budapest, in Turin und Barcelona, in Lemberg, in Teuerungsunruhen und in europäischen Großstädten. Die darin erarbeiteten vielfältigen neuen Erkenntnisse zur Geschichte kollektiver Gewalt in der Stadt zeigen an Hand der ausgewählten Beispiele nachdrücklich, wie ertragreich der Blick auf die Geschichte der Gewalt in Detailstudien sein kann.
Innsbruck Gerhard Köbler