Koerfer, Daniel, Diplomatenjagd. Joschka Fischer, seine Unabhängige Historikerkommission und „Das Amt“. Strauss Edition, Potsdam 2013. 544 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Vorstellungen von Entscheidungsträgern wirken sich vielfach auf viele andere aus. Das gilt nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler des Deutschen Reiches ebenso wie für die seinem Ende und dem demokratischen Neuaufbau folgenden Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland seit Konrad Adenauer. Dementsprechend hatte auch Joseph (Joschka) Fischer politische Vorstellungen davon, wie mit der Geschichte der seiner Führung unterstellten Bundesbehörde in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft umzugehen sei, und bestellte im Ergebnis eine unabhängige Historikerkommission zur Aufarbeitung der Geschichte des Auswärtigen Amtes während der nationalsozialistischen Herrschaft.

 

Deren Ergebnis hatte nach seiner Veröffentlichung unterschiedliche Stellungnahmen zur Folge. Der in Bern 1955 als Sohn des Industriellen Jacques Koerfer geborene, im Odenwald geschulte und 1986 an der Freien Universität in Berlin mit einer umfangreichen Dissertation über den Kampf um das Kanzleramt zwischen Ludwig Erhard und Konrad Adenauer promovierte, 1992 von einer Tätigkeit als Hochschulassistent in die Geschäftsführerschaft der Koerfer’schen Verwaltungsgesellschaft gewechselte Verfasser des vorliegenden Werkes gehörte von Anfang zu den entschiedenen Kritikern. Er hatte sich bereits 1990 zu dem seinem Großvater (Gerhart Feine) im Auswärtigem Amt als Staatssekretär vorgesetzten Ernst von Weizsäcker als deutschem Offizier und Diplomat zwischen Verstrickung und Selbsttäuschung geäußert.

 

Das Ergebnis der Unabhängigen Historikerkommission, dass das Auswärtige Amt eine verbrecherische Organisation gewesen sei, sieht er vor allem als Ergebnis des politischen Willens des zielbewussten Joseph Fischer, der später zu erkennen gab, dass das Ergebnis für ihn bereits bei Einsetzung der Kommission feststand. Dementsprechend sieht der Verfasser Adolf Hitlers willige Diplomaten nur als von Joseph Fischers willigen Historikern beschrieben oder verurteilt an. Dem Opportunismus der Diplomaten im totalen Staat schließt sich nach dieser Einsicht der Opportunismus von Wissenschaftlern auf der Suche nach Wahrheit in der ebenfalls über mächtige Mittel zur Meinungsbildung verfügenden Demokratie erkennbar eng an.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler