Kim, Dong Lyoul, Grundlagen der strafrechtlichen Aufarbeitung von DDR-Unrecht und Möglichkeiten ihrer Übertragung auf die Bewältigung nordkoreanischen Systemunrechts (= Criminalia 55). Lang, Frankfurt am Main 2012. 281 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

In allen bekannten menschlichen Gemeinschaften haben sich Einzelne meist mit um sie gescharten engeren Anhängern oft mit Gewalt als Leiter für kürzere oder längere Zeit durchgesetzt. In vorrechtlichen Zeiten oder außerrechtlichen Lagen wurden sie vielfach bei Gelegenheit von Wettbewerbern verdrängt und dabei oft getötet. Unter dem Blickwinkel des Rechtsstaats und der Herrschaft des Rechtes über die Gewalt stellt sich die Frage, ob ihr Tun nachträglich einer rechtlichen Beurteilung unterworfen werden sollte.

 

Diese Vorstellung wurde mit allgemeiner Wirkung am Ende des zweiten Weltkriegs von den alliierten Siegermächten gegenüber den Machthabern des Deutschen Reiches zwischen 1933 und 1945 durchgesetzt, die sogar alle erheblich nazifizierten Deutschen mit unterschiedlichem Erfolg zu entnazifizieren versuchten. Nach dem demokratisch bestimmten Ende der Deutschen Demokratischen Republik im Jahre 1990 stellte sich die Frage, wie mit dem andere Menschen schädigenden Verhalten der Machthaber dieser sozialistisch bestimmten Herrschaft umgegangen werden sollte. Der in Südkorea geborene, an der nationalen Polizeiuniversität und der Korea-Universität vor allem bei Ro Soep Park mit dem Abschluss LL. M. ausgebildete, nach der Promotion bei dem Generalkonsulat der Republik Koreas in Frankfurt am Main als Konsul tätige Verfasser überträgt die dortigen Ergebnisse in seiner von Bernd Schünemann betreuten, im Sommer 2012 von der juristischen Fakultät der Universität München angenommenen Dissertation mutig und umsichtig in die Zukunft Koreas.

 

Nach einem ersten einleitenden Teil über Problemstellung und Grundlagen der Untersuchung und Annahmen für die weitere Untersuchung (Notwendigkeit der strafrechtlichen Aufarbeitung, Unrechtsstaat als Voraussetzung der strafrechtlichen Aufarbeitung) untersucht der Verfasser zunächst die Justiz angesichts des DDR-Unrechts (Ablauf der Strafverfolgung, Mauerschützenurteile, Justizunrecht, Wahlfälschung, Spionage, Denunziation, Postplünderung und Telefonüberwachung). Danach vertieft er ansprechend besondere Rechtsprobleme der strafrechtlichen Aufarbeitung (Rückwirkung, Verjährung, Strafbarkeit der Hintermänner). Im Ergebnis ermittelt er eine geeignete Lösung für die zukünftige Aufarbeitung des in Nordkorea begangenen Regimeunrechts, die nach einer künftigen Wiedervereinigung Koreas zwingend erfolgen muss, doch stellt sich trotz der anerkennenswerten Leistung des Autors etwa angesichts der zahlreichen menschenrechtsverletzenden Verhaltensweisen in Libyen, Ägypten, Syrien oder anderswo grundsätzlich die Frage, ob das Recht angesichts der rechtsbrechenden Aggressivität vieler Menschen in fast allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens jemals das Unrecht unter seine Herrschaft bringen können wird, so wünschenswert oder gar notwendig dies dem Machtlosen und Geringaggressiven auch scheinen mag.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler