Kickler, Hilke, Die Geschichte des Schutzes geographischer Herkunftsangaben in Deutschland. Vom zweiten deutschen Kaiserreich bis zum Markengesetz 1995 (= Geistiges Eigentum und Wettbewerbsrecht 66). Mohr (Siebeck) 2012. XXII, 498 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Auf der Erde sind nicht alle Güter völlig gleichmäßig verteilt, weshalb bereits die Menschen nicht an allen Orten gleichzeitig entstanden sind, sondern von besonders günstigen Bedingungen an einem Ort ausgehend allmählich auch nahezu alle anderen weniger vorteilhaften Gebiete besiedelt haben. Dementsprechend haben auch die von ihnen hergestellten Erzeugnisse im Laufe der Geschichte eine unterschiedliche Wertschätzung erfahren, die im Zuge der Verbesserung der Infrastruktur vor allem seit dem 19. Jahrhundert immer größere wirtschaftliche Bedeutung erlangt hat. Zu deren rechtlicher Absicherung wurde im deutschen Reich zum 1. Oktober 1894 das Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen geschaffen, das auf den geographischen Ursprung von Waren hinweisende geographische Herkunftsangaben schützen sollte.

 

Mit diesem Gesetz und der anschließenden Weiterentwicklung befasst sich die 1982 geborene, in Bayreuth und Auckland/Neuseeland ausgebildete, nach der ersten juristischen Staatsprüfung (2007) als Stipendiatin des Graduiertenkollegs geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit in Bayreuth wirkende Autorin in ihrer von Diethelm Klippel betreuten, im Wintersemester 2011/2012 von der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommenen  Dissertation. Ihr geht es um die Frage, warum geographische Herkunftsangaben in den Gesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes geschützt wurden, wie dieser Schutz ausgestaltet war und welche Probleme sich dabei für Rechtsprechung und Literatur ergaben. Hierfür gliedert sie zeitlich/sachlich nach einer Einleitung in die sieben Kapitel der (weitgehend fehlende) Schutz geographischer Bezeichnungen vor 1894, geographische Herkunftsangaben in den Gesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes von 1894 bis 1936, Rechtsprechung und Literatur von 1894 bis zum Madrider Herkunftsabkommen des Jahres 1925, geographische Herkunftsangaben bei Weinen und geistigen Getränken bis zur Unterzeichung des Friedensvertrags von Versailles, der Schutz der geographischen Herkunftsangaben und der Versailler Vertrag, die Ausweitung des Schutzes geographischer Herkunftsangaben vom Beitritt des deutschen Reiches zum Madrider Herkunftsabkommen des Jahres 1925 bis zur Entstehung des Markengesetzes 1995 und die Aufnahme geographischer Herkunftsangaben in das Markengesetz vom 25. Oktober 1994.

 

Praktischer Ausgangspunkt ist das bisherige Fehlen ausführlicher und eingehender Untersuchungen zur Geschichte des Schutzes geographischer Herkunftsangaben, auf das die Verfasserin an Hand ihres Überblicks über den bisherigen Forschungsstand ansprechend hinweist, obwohl die ersten gesetzlichen Regelungen zum Schutze geographischer Bezeichnungen bereits nach Gründung des deutschen Zollvereins (1834) in einigen Staaten des Deutschen Bundes entstanden. Die erhebliche praktisch-rechtliche Bedeutung illustriert sie beispielsweise an Hand des Hinweises auf die région de Champagne für den Fall, dass der Schaumwein dort nicht vollständig hergestellt worden, sondern zwecks Ersparnis deutscher Einfuhrzölle erst im deutschen Reich endbehandelt wurde. Im Ergebnis ihrer umsichtigen Betrachtung kann sie feststellen, dass mit zunehmendem Einfluss der Europäischen Gemeinschaft auf den Schutz geographischer Herkunftsangaben durch die Verordnung (EWG) 2081/1992 die im 20. Jahrhundert geschaffenen bilateralen Vereinbarungen ihre ursprüngliche Bedeutung zumindest in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft (oder Europäischen Union?) weitgehend verloren haben.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler