Kessler, Mario, Ruth Fischer. Ein Leben mit und gegen Kommunisten (1895-1961) (= Zeithistorische Studien 51). Böhlau, Köln 2013. 759 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Ruth Fischer führte ein bewegtes Leben unter vielen Namen. Nach Ausweis des vorliegenden Werkes wurde sie 1895 als Elfriede Maria Fischer geboren, wuchs nach der Heirat ihrer Eltern als Elfriede Eisler auf, wurde durch Heirat 1915 Elfriede Friedländer, durch Scheinheirat zwecks Erlangung der Staatsbürgerschaft Deutschlands Elfriede Golke, handelte unter den Namen Ruth Kämpfer, Maria Ida Schmidt, Müller, Severing, Wagner oder Bucher, reiste 1924 als Helene Stein nach Wien, nutzte die Namen Helen Geiringer und Liane Boslau, wurde durch Scheinheirat zwecks Erlangung der Staatsbürgerschaft Frankreichs Elfriede Pleuchot, doch erlangte sie ihre größte Bedeutung als Ruth Fischer. 1924 stand sie weltweit als erste Frau an der Spitze einer Massenpartei, der Kommunistischen Partei Deutschlands. Gleichwohl waren ihr der Wandel zur entschiedenen Antikommunistin und die spätere Rückkehr möglich.

 

Ihr in Jena 1955 geborener Biograph wurde nach dem Studium von Geschichte und Germanistik in Jena und Leipzig 1982 mit einer Dissertation über die kommunistische Internationale und den arabischen Osten zwischen 1919 und 1929 promoviert und im Jahre des Beitritts der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland an der Akademie der Wissenschaft habilitiert. Nach Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter wurde er 2001 außerplanmäßiger Professor an der Universität Potsdam. In zahlreichen Werken hat er sich vor allem mit der Zeitgeschichte des Antisemitismus, Zionismus und Sozialismus und einzelnen ihrer Vertreter auseinandergesetzt.

 

Die Arbeit an der vorliegenden Biographie begann der Verfasser 2008 in New York, abschließen konnte er das Manuskript im September 2012. Gegliedert ist die eine Lücke schließende Untersuchung in neun chronologisch geordnete Abschnitte, die den Weg zum Kommunismus (1895-1919), die ultralinke Stellung in der KPD, die Vorsitzende, die kommunistische Außenseiterin, die Verfolgung durch Hitler und Stalin, die Kronzeugenschaft der kommunistischen Verschwörung, die Frage dses Antistalinismus oder Antikommunismus, die Trennung vom Antikommunismus und die Frage einer Rückkehr zum Kommunismus in den letzten Lebensjahren bis zum 12. März 1961 betreffen. Eine englische Zusammenfassung und verschiedene Anlagen runden das aufschlussreiche, detailliert-dicht geschriebene Werk über wichtige Strömungen des früheren 20. Jahrhunderts und die allgemeine Wandlungsfähigkeit des Einzelnen in unterschiedlichen politischen Lebenslagen vorteilhaft ab.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler