Kempe, Michael, Fluch der Weltmeere. Piraterie, Völkerrecht und internationale Beziehungen 1500-1900. Campus, Frankfurt am Main 2010. 437 S., 26 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die miteinander verbundenen, das feste Land der Erde umgebenden, wegen ihres Salzgehalts zum Trinken und Bewässern grundsätzlich ungeeigneten Meere machen mehr als sieben Zehntel der Oberfläche der Erde aus. Wegen des in ihnen geschaffenen Sauerstoffs und des aus ihnen über Verdunstung und Niederschlag gewonnenen Süßwassers sind sie für das Leben unentbehrlich, aber vom Menschen erst seit der Neuzeit und auch nur ziemlich bedingt beherrschbar. Gleichwohl hat der Mensch allmählich auch ihre Verrechtlichung versucht.

 

Mit diesem Vorgang befasst sich die vorliegende, in Konstanz 2009 angenommene Habilitationsschrift des nach dem 1988 begonnenen Studium der Geschichte und Philosophie in Konstanz und am Trinity College im Jahre 2000 mit einer geschichtswissenschaftlichen Dissertation über Johann Jakob Scheuchzer (1672-1733) und die Sintfluttheorie promovierten, ab 2002 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main und ab 2006 bei Rolf Peter Sieferle in Sankt Gallen tätigen Verfassers, der seit November 2011 die Forschungsstelle der Leibniz-Edition in Hannover leitet. Bereits kurz nach ihrem Erscheinen wurde sie als eines der (rechtswissenschaftlich bedeutsamen) Bücher des Jahres 2011 ausgezeichnet. Mit bedauerlicher Verspätung verdient sie auch an dieser Stelle wenigstens eine Erwähnung in wenigen Zeilen.

 

Sie geht davon aus, dass man lange Zeit Seeräuberei als mittlerweile fast nur noch regionales Problem wahrgenommen hat, in dem der Pirat der frühen Neuzeit als Feind der Menschheit gegolten hat. Demgegenüber stellt der Verfasser in acht Kapiteln anschaulich dar, wie mit der europäischen Expansion auf den Weltozeanen die Beschreibung des Meeres als Rechtsraum begann, Kaperei und Piraterie seit Hugo Grotius zu Kennzeichen internationaler Beziehungen wurden und schließlich im 19. Jahrhundert in Kaperei und Piraterie die Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht beendet wurde. Damit wird insgesamt ein neuer, weiterer Blick auf die Entstehung des Völkerrechts eröffnet, der den Verfasser am Ende seines spannend beschriebenen, durch umfangreiche ungedruckte wie gedruckte Quellen und Literatur abgesicherten Weges durch die Geschichte der Piraterie zu der Frage leitet, ob internationale Terroristen etwa am Horn von Afrika die neuen Piraten sind.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler