Justice in Wartime and Revolutions. Europe, 1795-1950, hg. v. De Koster, Margo/Leuwers, Hervé/Luyten, Dirk/Rousseaux, Xavier (= Justice & Society 6). Allgemeen Rijksarchief, Brüssel 2012. 376 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Gedanke an Gerechtigkeit vermittelt im Allgemeinen angenehme Empfindungen, während Kriegszeiten und wohl auch Revolutionen, da diese nicht selten ihre eigenen Kinder fressen, eher mit Schrecken, Angst und Tod verbunden werden. Von daher erweckt eine Gegenüberstellung dieser unterschiedlichen Gegebenheiten wie von selbst unmittelbare Aufmerksamkeit. Nicht von ungefähr ist die Thematik auf dem Umschlag des darauf bezogenen Werkes schließlich durch ein brennendes Monument illustriert.

 

Der vorliegende Sammelband vereint die Beiträge einer unter dem gleichen Titel in Brüssel vom 21.-23. September 2011 vom Centre for Research and Documentation on War and Contemporary Societies in Brüssel, vom Centre d’Histoire du Droit et de la Justice der katholischen Universität Löwen und vom IRHIS Institute der Université de Lille im Rahmen des von 2007 bis 2012 laufenden sechsten Abschnitts des Forschungsprogramms über Socio-political History of Belgian Justice Administration organisierten Konferenz. Sie betreffen nach der Einführung Dirk Luytens vor allem Systeme, Handelnde, Konzepte und Grenzen. Ihre Verfasser kommen aus Löwen, Saarbrücken, Cork, Utrecht, Paris, Helsinki, Laibach, Saragossa, Grenoble, Gent, Nanterre, Bern, Brüssel und Leiden.

 

Eröffnet wird das Werk  mit einer Studie über les cadres indigènes des polices impériales dans la France des départements annexés zwischen 1796 und 1814, der Beiträge über Antwerpen und Namur, die irische Revolution, den finnischen und spanischen Bürgerkrieg, deutsche Todesurteile in Frankreich und Belgien, belgische Militärverfahren, die italienische Okkupation in Frankreich, die Tätigkeit der Besatzer in Belgien, Norwegen und den Niederlanden, die sowjetische Besatzungszone, Slowenien, Kollaborateure in Belgien und Frankreich, den Einfluss der belgischen und französischen Gendarmerie auf die Niederlande, Kinder, den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, das Verhalten von Rechtsanwälten, Kriminologen und Akademikern gegenüber Gräueltaten in Serbien, Belgien und Frankreich 1914 und einen außergewöhnlichen Fall in Belgien in einem rechtmäßigen Niemandsland folgen. Völlig zu Recht wird dabei die Ehrenpflicht betont, Kriegsgräuel nicht einfach zu übergehen, sondern (nach Möglichkeit) zu verurteilen. Im Ergebnis betrifft dies freilich wohl überwiegend die Verlierer und auch sie nur in eingeschränktem Rahmen. Insofern wird trotz der vielfältigen Erkenntnisse der Tagungsteilnehmer auch in Zukunft die Rolle der Gerechtigkeit in Kriegszeiten und Revolutionen, wie man fast täglich an vielen aktuellen Beispielen sehen kann, ziemlich beschränkt bleiben.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler