Heimbeck, Lea, Die Abwicklung von Staatsbankrotten im Völkerrecht. Verrechtlichung und Rechtsvermeidung zwischen 1824 und 1907 (= Studien zur Geschichte des Völkerrechts 28). Nomos, Baden-Baden 2013. X, 277 S.

 

Im Gegensatz zum Einzelnen hat der Staat die Herrschaft über sein Geld, so dass er bei Geldbedarf neues Geld schaffen kann, während der Einzelne nur versuchen kann, vorhandenes Geld zu erlangen. Gelingt ihm dies nicht, so kann er leicht zahlungsunfähig werden. Dieses Schicksal droht freilich auf die Länge auch dem Staat, der auf Dauer weniger einnimmt, als er ausgibt, weshalb eigentlich seit der Erfindung der Geldwirtschaft der Staatsbankrott denkbar ist, mit dessen Abwicklung im 19. Jahrhundert sich die Autorin eindringlich befasst.

 

Ihre vorliegende Untersuchung ist ihre von Miloš Vec betreute, im Rahmen der Projektgruppe Das Völkerrecht und seine Wissenschaft 1789-1914 am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main entstandene, im Sommersemester 2012 von der juristischen Fakultät der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation. Sie gliedert sich außer in eine Einleitung über den Schutz durch Verrechtlichung und Rechtsvermeidung, Staatsanleihen und Staatsbankrotte, Völkerrecht durch Globalisierung, völkerrechtliche Fragmentierung, Souveränität als Interventionsschranke und Quellen in drei Teile. Sie beginnen mit der privaten Abwicklung auf Grund eines völkerrechtlichen Vakuums am Beispiel Griechenland (1824-1878), gehen danach zur Instrumentalisierung der Insolvenzabwicklung durch die Völkerrechtswissenschaft in Bezug auf Ägypten (1862-1904) und das Osmanische Reich (1854-1907), für die der Einfluss zwischenstaatlicher Insolvenzabwicklungsmechanismen auf das Völkerrecht und die Miturheberschaft privater Anleger an der völkerrechtlichen Normierung erörtert werden, über und enden mit der Beschreibung von Ordnungselementen internationaler Finanzbeziehungen am Beispiel Venezuelas (1902-1907).

 

Insgesamt gelingen der Verfasserin an Hand ihrer vierer ausgewählten Fallstudien für das nach der Ausgabe von Ausleihen im Ausland eingetretene Scheitern internationaler Finanztransaktionen vielfältige Erkenntnisse. Ausgangspunkt ist dabei das vom Fehlen eines juristischen Problembewusstseins unterstützte Bestreben, die Schaffung allgemeiner Normen zu vermeiden, um die eigene Handlungsfreiheit zu sichern und den Einfluss anderer Mächte gering zu halten. Im Laufe der Zeit führte allerdings die eine Gewaltanwendung europäischer Mächte in der Rechtswirklichkeit erheblich einschränkende Veränderung der politischen Machtverhältnisse doch zur Bildung besonderer völkerrechtlicher Normen sowie zur Nutzung von Recht auf vielfältigen weiteren Normierungsebenen.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler